3.2.1 Erhebliche Schwankungen des Jahresbedarfs des Versicherungszweigs (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)
Rz. 37
Für die Bildung einer Schwankungsrückstellung ist Voraussetzung, dass nach den Erfahrungen in dem betreffenden Versicherungszweig (Rz. 38) mit erheblichen Schwankungen des Jahresbedarfs (Rz. 39) zu rechnen sein muss (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG). Der handelsrechtliche Wortlaut stellt nicht wort-, aber inhaltsgleich darauf ab, dass nach den Erfahrungen in dem betreffenden Versicherungszweig mit erheblichen Schwankungen der jährlichen Aufwendungen für Versicherungsfälle zu rechnen ist (§ 341h Abs. 1 Nr. 1 HGB). Es geht nur um die unmittelbaren Aufwendungen der Versicherungsfälle, nicht etwa um sonstige Kostenbestandteile (z. B. Verwaltungskosten).
Rz. 38
Durch die Maßgeblichkeit des einzelnen Versicherungszweigs ist eine Spartentrennung erforderlich, d. h. die Schwankungsrückstellung ist für jeden betriebenen Versicherungszweig und für jede Versicherungsart gesondert zu bilden. Ein gesonderter Versicherungszweig liegt vor, wenn nach § 2 RechVersV zwingend eine gesonderte versicherungstechnische GuV aufzustellen ist oder wenn freiwillig eine gesonderte versicherungstechnische GuV aufgestellt wird. Die Anlage zu § 29 RechVersV (Rz. 31) konkretisiert hierzu die einzelnen Voraussetzungen und nennt auch einzelne Sparten, die in jedem Fall als Versicherungszweig zu klassifizieren sind. Grund für die Spartentrennung ist, dass sich eine abgrenzbare Versichertengemeinschaft auf Dauer selbst tragen muss.
Rz. 39
Ob der Jahresbedarf erheblichen Schwankungen unterliegt, ermittelt sich durch ein Berechnungsschema, das ebenfalls durch die Anlage zu § 29 RechVersV vorgegeben wird. Danach muss die Standardabweichung innerhalb eines Beobachtungszeitraums von der durchschnittlichen Schadenquote mindestens 5 % betragen und die Summe aus Schaden- und Kostenquote mindestens einmal 100 % der verdienten Beiträge überschritten haben.
Rz. 40
Durch die vergangenheitsorientierte Bewertung fehlt bei neu gegründeten Versicherungszweigen die Ermittlungsbasis, weshalb dort auf die Möglichkeit von anderen Berechnungsgrundlagen (Rz. 32) zurückzugreifen ist.
3.2.2 Kein Ausgleich durch Prämien (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1)
Rz. 41
Weitere Voraussetzung ist, dass die Schwankungen des Jahresbedarfs nicht durch die Prämien ausgeglichen werden dürfen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG = § 341h Abs. 1 Nr. 2 HGB). Dann erfolgt der Risikoausgleich nämlich in anderer Weise. Das wäre etwa der Fall, wenn bereits ein Schwankungszuschlag (auch Sicherheitszuschlag genannt) in die Prämien eingerechnet wäre. Eine Schwankungsrückstellung ist aber nur gerechtfertigt, wenn der nach den Erfahrungen der Vergangenheit mögliche Schadensbedarf über den Prämieneinnahmen des Jahres liegt. Wenn sich somit die Schwankungen im Schadensanfall sehr eng um den Durchschnitt bewegen und damit noch in der Bandbreite der auf der Basis des Durchschnitts errechneten jährlichen Prämieneinnahmen liegen, besteht kein besonderes Risiko durch schwankenden Schadenseintritt; eine Schwankungsrückstellung ist daher nicht gerechtfertigt.
3.2.3 Schwankungen aus den am Bilanzstichtag bestehenden Versicherungsverträgen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Alt. 1)
Rz. 42
In die Prüfung, ob ein schwankender Jahresbedarf für Schadensregulierungen zu erwarten ist, sind nur die am jeweiligen Bilanzstichtag bestehenden Versicherungsverträge einzubeziehen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Alt. 1 KStG). Diese Bestimmung ist Ausdruck des Prinzips der wirtschaftlichen Verursachung am Bilanzstichtag und seiner gesetzlichen Regelung. Es handelt sich um einen allgemeinen Grundsatz der Rückstellungsbildung, weshalb die Regelung keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat und überflüssig ist. Dies erklärt auch, warum sich in der handelsrechtlichen Regelung keine entsprechende Regelung findet.
3.2.4 Keine Deckung durch Rückversicherungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Alt. 2)
Rz. 43
Weitere Voraussetzung ist, dass die Schwankungen des Jahresbedarfs aus den am Bilanzstichtag bestehenden Versicherungsverträgen herrühren müssen und nicht durch Rückversicherungen gedeckt sein dürfen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Alt. 2 KStG = § 341h Abs. 1 Nr. 3 HGB). Denn soweit eine Rückdeckungsversicherung besteht, ist der Bedarf für die Schadensregulierung, und damit auch das Risiko eines schwankenden Bedarfs, durch den Rückversicherer gedeckt; somit besteht für den Stpfl. kein Risiko mehr. Mangels entsprechenden Risikos ist daher auch keine Rückstellung möglich. Eine etwaige Schwankungsrückstellung ist in diesen Fällen von dem Rückversicherer zu bilden.