Prof. Dr. Gerrit Frotscher
2.1 Inhalt des § 27
Rz. 9
§ 27 Abs. 1 bestimmt, dass sich die Körperschaftsteuer im Falle der Ausschüttung um den Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlich eingetretenen Tarifbelastung und der Ausschüttungsbelastung von 30 % erhöht oder mindert. Liegt die Tarifbelastung über der Ausschüttungsbelastung, tritt eine entsprechende Körperschaftsteuerminderung ein; liegt die Tarifbelastung unter der Ausschüttungsbelastung, erhöht sich die Körperschaftsteuer entsprechend. Beträgt die Tarifbelastung genau 30 % (EK 30), tritt bei einer Ausschüttung weder eine Körperschaftsteuererhöhung noch eine Körperschaftsteuerminderung ein. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Ausschüttungen immer (mit Ausnahme der in § 40 angesprochenen Fälle) mit 30 % belastet sind (vgl. Rz. 2).
Rz. 10
§ 27 bestimmt als Grundlage des Anrechnungsverfahrens den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich, und damit die Tatbestandsvoraussetzungen für das Eingreifen des Anrechnungsverfahrens, sowie die Rechtsfolgen des Anrechnungsverfahrens. Die Vorschrift enthält damit im Einzelnen folgende Regelungen, die den Bereich der Körperschaft, nicht den Bereich des Anteilseigners, betreffen:
- Persönlicher Geltungsbereich: Bestimmung, welche Rechtssubjekte als Anrechnungskörperschaften der Herstellung der Ausschüttungsbelastung unterliegen ("unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft"). Ergänzt wird diese Regelung durch § 43.
- Sachlicher Regelungsbereich: Bestimmung, welche Leistungen der Anrechnungskörperschaft der Herstellung der Ausschüttungsbelastung unterliegen ("Gewinnausschüttung"). Ergänzt wird diese Regelung durch § 41 sowie die Sonderfälle des § 42.
- Zeitlicher Regelungsbereich: Bestimmung, für welchen Veranlagungszeitraum die Änderung der Körperschaftsteuer durch Herstellen der Ausschüttungsbelastung eintritt.
- Rechtsfolge: Herstellung der Ausschüttungsbelastung. Ergänzt wird diese Regelung durch § 40 über das Absehen der Körperschaftsteueränderungen in bestimmten Fällen.
Daneben enthält § 27 die Definition zweier für das Anrechnungsverfahren grundlegender Begriffe, nämlich der Tarif- und der Ausschüttungsbelastung.
Rz. 11
Die Durchführung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen erfordert daneben noch folgende Entscheidungen, die nicht im Rahmen des § 27 Abs. 1, 2 getroffen werden:
- Bestimmung, aufgrund welchen Eigenkapitals die Tarifbelastung zu ermitteln ist, die in die Ausschüttungsbelastung zu verändern ist; dies regelt § 28 Abs. 2 (vgl. § 28 Rz. 9ff.);
- Feststellung der Höhe der Tarifbelastung dieses Eigenkapitals; dies regelt die nach § 30 aufzustellende Gliederungsrechnung (vgl. § 30 Rz. 16ff.);
- Bestimmung, welches verwendbare Eigenkapital in zeitlicher Hinsicht durch die Ausschüttung vermindert wird (vgl. § 30 Rz. 200ff.).
Nicht in §§ 27ff. geregelt sind der Tatbestand und die Rechtsfolgen der Anrechnung auf der Ebene des Anteilsinhabers. Diese Regelung ist in §§ 36ff. EStG enthalten.
2.2 Persönlicher Anwendungsbereich des Anrechnungsverfahrens
2.2.1 Anrechnungskörperschaft
Rz. 12
Das Anrechnungsguthaben kann durch die Körperschaft nur dann dem Anteilseigner vermittelt werden, wenn die Körperschaft in den Kreis der Anrechnungskörperschaften fällt. Der Tatbestand des § 27 Abs. 1 setzt voraus, dass die Ausschüttung von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft vorgenommen wird. Anrechnungskörperschaften sind daher in erster Linie Kapitalgesellschaften. Den Begriff der Kapitalgesellschaft definiert § 1 Abs. 1 Nr. 1; hierunter fallen die AG, die KGaA und die GmbH (vgl. im Einzelnen zu diesen Gesellschaftsformen § 1 Rz. 7ff.).
Der Kreis der Anrechnungskörperschaften wird durch § 43 ausgedehnt auf sonstige "unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, deren Leistungen bei den Empfängern zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG gehören". Anrechnungskörperschaften sind daher alle Körperschaftsteuersubjekte, die Ausschüttungen vornehmen können. Zur Gruppe dieser sonstigen Anrechnungsberechtigten gehören
- Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;
- wirtschaftliche Vereine, deren Mitgliedschaftsrechte wirtschaftlich einer kapitalmäßigen Beteiligung gleichkommen;
- Realgemeinden, soweit sie einen Gewerbebetrieb unterhalten, der über den Rahmen eines Nebenbetriebs hinausgeht (§ 3 Abs. 2);
- Ausländische Körperschaften, die unbeschränkt steuerpflichtig sind, wenn sie in ihrem Typus einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen.
Rz. 13
Nur diese Körperschaftsteuersubjekte nehmen am Anrechnungsverfahren teil und fallen damit unter den Begriff der Anrechnungskörperschaft. Nicht zu den Anrechnungskörperschaften gehören danach:
- Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit;
- sonstige juristische Personen des privaten Rechts (insbesondere Idealvereine), mit Ausnahme der wirtschaftlichen Vereine;
- nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts;
- Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Diese Körperschaftsteuersubjekte nehmen auch insoweit am Anrechnungsverfahren ...