2.2.2.1 Anrechnungsberechtigung

 

Rz. 21

Die Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne verliert ihren Charakter als Definitivbelastung in den Fällen, in denen sie auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld des Aktionärs nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG bzw. § 49 Abs. 1 KStG angerechnet werden kann. Zur Anrechnung berechtigt sind alle Anteilseigner, soweit die Einkommen- oder Körperschaftsteuer nicht durch den Steuerabzug vom Kapitalertrag abgegolten ist[1].

 

Rz. 22

Grundsätzlich sind nur "Anteilseigner" anrechnungsberechtigt. Dies bedeutet aber nur, dass zwischen Körperschaft und Empfänger ein Verhältnis bestehen muss, durch das die Leistung bei der Körperschaft als "Ausschüttung" und bei dem Empfänger als "Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG" zu qualifizieren ist. Diese Voraussetzung kann auch erfüllt sein, wenn im Zeitpunkt der Ausschüttung (Abfluss, vgl. Rz. 90) eine Beziehung als Anteilseigner noch nicht oder nicht mehr besteht.

Solche Fälle sind insbesondere bei der verdeckten Gewinnausschüttung denkbar. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist auch möglich, wenn ein Gesellschaftsverhältnis noch nicht besteht (vgl. Anh. vGA zu § 8 Rz. 57). Möglich ist auch, dass die Ausschüttung zu einem Zeitpunkt erfolgt, bei dem das Gesellschaftsverhältnis nicht mehr besteht, insbesondere bei der nicht bzw. später abgeflossenen verdeckten Gewinnausschüttung. Wurde z. B. für den Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionsrückstellung gebildet, die steuerlich eine verdeckte Gewinnausschüttung ist, und wird die Pension zu einem Zeitpunkt gezahlt, zu dem der Empfänger nicht mehr Gesellschafter ist, oder wird sie an die Witwe des Gesellschafters gezahlt, so greifen die Folgen des Anrechnungsverfahrens mit dem Herstellen der Ausschüttungsbelastung und der Anrechnung bei dem Empfänger ein, obwohl dieser im Zeitpunkt des Zuflusses nicht (mehr) Gesellschafter ist[2].

 

Rz. 23

Eine positive Aufzählung der anrechnungsberechtigten Anteilseigner enthält weder das EStG noch das KStG. Der Personenkreis der anrechnungsberechtigten Anteilseigner lässt sich aber aus dem in § 50 Abs. 5 EStG und in § 50 Abs. 2 KStG enthaltenen Katalog nichtanrechnungsberechtigter Anteilseigner ableiten (vgl. § 51 Rz. 1ff.).

Soweit der Anteilseigner anrechnungsberechtigt ist, werden bei ihm 3/7 der Ausschüttung angerechnet. Dieser Anrechnungssatz ist in § 36 EStG festgelegt und grundsätzlich unabhängig davon, ob auf der Ebene der Körperschaft tatsächlich eine entsprechende Körperschaftsteuer entstanden ist. In diesem festen Anrechnungssatz liegt eine der entscheidenden Regelungen des Anrechnungsverfahrens, die das Funktionieren in der Praxis ermöglicht.

 

Rz. 24

Die Anrechnung der Körperschaftsteuer wird bei nichtanrechnungsberechtigten natürlichen Personen durch § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG, bei nichtanrechnungsberechtigten juristischen Personen durch § 51 i. V. m. § 50 Abs. 2 KStG ausgeschlossen (vgl. § 51 Rz. 7ff.). Für diese Personen hat die auf den empfangenen Gewinnausschüttungen lastende Körperschaftsteuer in Höhe der Ausschüttungsbelastung von 30 % den Charakter einer Definitivbelastung (zu den sich hieraus ergebenden EG-rechtlichen Problemen vgl. Rz. 7).

[1] Vgl. § 50 Abs. 5 EStG und § 50 Abs. 2 i. V. m. § 51 KStG.
[2] Vgl. zu diesen Fällen der "Inkongruenz" in persönlicher und/oder zeitlicher Hinsicht Rz. 102ff.; Brenner, DStZ 1996, 65.

2.2.2.2 Durchführung der Anrechnung

 

Rz. 25

Die Durchführung der Anrechnung erfolgt auf zwei Ebenen:

  • Auf der Ebene der Anrechnungskörperschaft wird die Ausschüttungsbelastung hergestellt. Dies geschieht dadurch, dass die Körperschaftsteuer für Einkommensteile, die mit mehr als 30 % Ausschüttungsbelastung belastet sind, gemindert wird (ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung), sowie dadurch, dass die Körperschaftsteuer für Einkommensteile, die mit weniger als 30 % Ausschüttungsbelastung belastet sind (EK 02, EK 03), erhöht wird (ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuererhöhung). Damit wird erreicht, dass alle Ausschüttungen grundsätzlich mit der gleichen Steuerbelastung vorbelastet sind, unabhängig davon, ob sie aus steuerpflichtigen oder steuerfreien Einkommensteilen finanziert werden. Auf der Ebene der Anteilseigner kann daher immer der gleiche Betrag (3/7) als steuerliche Vorbelastung angerechnet werden (zur Sonderbehandlung des EK 01 vgl. § 30 Rz. 121b, des EK 04 vgl. § 30 Rz. 190).
  • Auf der Ebene des Anteilseigners werden die Nettoausschüttung, die anrechenbare Körperschaftsteuer und die einbehaltene Kapitalertragsteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst und besteuert. Auf die dadurch entstehende Steuer werden nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 3/7 der Einnahmen (d. h. die Nettoausschüttung zuzüglich der einbehaltenen Kapitalertragsteuer, also die Barausschüttung; vgl. Rz. 26) sowie die einbehaltene Kapitalertragsteuer angerechnet. Übersteigen die Anrechnungsbeträge die entstehende Steuer, wird der überschießende Betrag dem Anteilseigner vergütet (vgl. zur Anrechnung auf der Ebene des Anteilsinhabers Seemann, in Frotscher, EStG, § 36 Rz. 97ff.).
  • Als Bindeglied...

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