Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 42
Werden für einen Veranlagungszeitraum erstmals die Körperschaftsteuerfestsetzung und eine Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals vorgenommen, richtet sich die Reihenfolge der Verwendung zwangsläufig nach den Teilbeträgen, die in der Ursprungsgliederung enthalten sind. Wird die ursprüngliche Körperschaftsteuerfestsetzung — aus welchen Gründen auch immer — geändert, so zieht das nach § 47 Abs. 2 zwangsläufig eine Änderung der Gliederung nach sich. Damit ist grundsätzlich auch eine Änderung der Zuordnung der vorgenommenen Ausschüttung verbunden, weil die Verwendungsfiktion des Abs. 3 nunmehr auf die in der geänderten Gliederung ausgewiesenen Teilbeträge zu beziehen ist. Das ist von Vorteil für die Körperschaft, wenn erstmalig oder zusätzlich bisher nicht vorhandene höher belastete Teilbeträge entstehen, aus denen Ausschüttungen, die bisher niedriger belasteten Teilbeträgen zugeordnet waren, finanziert werden können. Dagegen ergeben sich Nachteile, wenn höher belastete Teilbeträge, aus denen bisher Ausschüttungen finanziert waren, beseitigt oder vermindert werden.
Rz. 42a
Von dem Grundsatz, dass auch die Verwendungsfiktion des Abs. 3 an eine geänderte Gliederung anzupassen ist, gab es bis Vz 1993 zwei wichtige Ausnahmen, in denen die bisherige Verwendung festgeschrieben wird:
- Änderte sich die Körperschaftsteuer und damit die Gliederungsrechnung durch einen Verlustrücktrag und war für das Abzugsjahr die Ausschüttungsbelastung herzustellen, galten die Teilbeträge in der Reihenfolge als verwendet, in der sie ohne den Rücktrag als verwendet gegolten hätten (vgl. § 33 Abs. 3).
- Hatte eine Kapitalgesellschaft Ausschüttungen aus dem EK 01 oder dem EK 03 an nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner vorgenommen, durch die eine Vergütung nach § 52 des Gesetzes oder nach § 36e EStG ausgelöst worden war, blieb die der Vergütung zugrunde gelegte Verwendung der Teilbeträge des EK 01 und des EK 03 unverändert (vgl. § 28 Abs. 5 a. F.; Rz. 52ff.).
Durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.9.1993 sind insoweit folgende Änderungen eingetreten:
- Die Festschreibung der Verwendungsreihenfolge bei Zusammentreffen von Ausschüttung und Verlustrücktrag ist beseitigt worden (vgl. § 33; § 33 Rz. 23).
- Die Festschreibung der Verwendungsreihenfolge bei Vergütung an Nichtanrechnungsberechtigte ist auf Ausschüttungen aus dem EK 03 beschränkt worden, da bei Ausschüttungen aus dem EK 01 die Körperschaftsteuererhöhung, und damit die Vergütung, beseitigt worden sind (vgl. Rz. 52).
- Eingeführt wurde eine Festschreibung der Verwendung, wenn nachträglich für die Ausschüttung verwendetes belastetes Eigenkapital wegfällt (vgl. § 28 Abs. 4; Rz. 42b).
- Ebenfalls eingefügt wurde eine Festschreibung der Verwendungsreihenfolge bei Ausschüttung aus dem EK 01 (vgl. Rz. 43).
Rz. 42b
Während die Änderung der Finanzierung einer Ausschüttung durch nachträgliche Änderung der Gliederungsrechnung auf der Ebene der Anrechnungskörperschaft bis Vz 1993 keine wesentlichen Schwierigkeiten bereitete, lediglich zu ungewollten Effekten (Neuberechnung der Körperschaftsteueränderungen) führen konnte, ist dies ab Vz 1994 auf der Ebene der Anteilseigner anders. Bis zum Vz 1993 wurde die Ebene der Anteilseigner durch Änderungen der Ausschüttungsfinanzierung im wesentlichen nicht berührt, da bei der Anrechnungskörperschaft auf jeden Fall die Ausschüttungsbelastung hergestellt wurde, die Anrechnung auf der Ebene der Anteilseigner sich also nicht änderte (Ausnahme: Finanzierung aus dem EK 04). Probleme mit der nachträglichen Änderung der Gliederungsrechnung traten daher nur ausnahmsweise auf (vgl. Rz. 42a).
Ab Vz 1994 ist jedoch auch die Ebene der Anteilseigner von nachträglichen Änderungen der Ausschüttungsfinanzierung betroffen. Daraus resultieren keine Probleme, wenn nur Verschiebungen innerhalb des belasteten Eigenkapitals auftreten; da bei Ausschüttungen aus den jeweiligen Teilbeträgen die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist, wird sichergestellt, dass die Ausschüttung mit der Ausschüttungsbelastung belastet ist, die bei dem Anteilseigner anzurechnen ist. Dadurch bleibt die Anrechnung auf der Ebene der Anteilseigner unberührt.
Anders ist es jedoch, wenn sich die Verschiebungen innerhalb des verwendbaren Eigenkapitals zwischen belastetem und unbelastetem Eigenkapital abspielen. War die ursprüngliche Ausschüttung aus dem belasteten Eigenkapital finanziert worden, wurde den Anteilseignern eine Steuerbescheinigung ausgestellt, die zur Anrechnung der Ausschüttungsbelastung berechtigte. Verschiebt sich nun die Finanzierung von belastetem Eigenkapital zu EK 01, entfällt die Herstellung der Ausschüttungsbelastung und damit die Anrechnung; bei Ausschüttung aus dem EK 04 würde die Ausschüttung zusätzlich nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen gehören, sondern wäre eine Kapitalrückzahlung. Damit besteht die Gefahr, dass aufgrund der Änderung der Finanzierung und der dadurch unrichtig gewordenen Steuerbescheinigung eine in Wirklichkeit nicht entstandene Ausschüttungsbelastung...