Prof. Dr. Gerrit Frotscher
2.1 Begriff des Eigenkapitals
Rz. 7
Nach Abs. 1 ist Eigenkapital "das in der Steuerbilanz ausgewiesene Betriebsvermögen" (wegen der erforderlichen Korrekturen vgl. Rz. 22ff.). Nach § 29 Abs. 1 KStG 1977/81 wurde das Eigenkapital als "Unterschiedsbetrag zwischen dem auf der Aktivseite und dem auf der Passivseite der Steuerbilanz ausgewiesenen Betriebsvermögen" definiert.
Diese beiden Definitionen weisen auf die Unschärfe hin, die dem Begriff des Betriebsvermögens im Steuerrecht anhaftet. Betriebsvermögen kann danach die Gesamtheit der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter sein, die dem Betrieb dienen, es kann darunter aber auch das im Betrieb eingesetzte Kapital des Steuerpflichtigen verstanden werden. Im ersten Fall ist das eingesetzte Kapital der Unterschiedsbetrag zwischen dem aktiven und dem passiven Betriebsvermögen; so wird der Begriff des Betriebsvermögens in § 8 Abs. 4 (vgl. § 8 Rz. 188), in Zusammensetzungen wie "notwendiges" und "gewillkürtes" Betriebsvermögen sowie in § 29 Abs. 1 KStG 1977/81 verstanden. Im zweiten Fall ist das eingesetzte Kapital selbst das Betriebsvermögen; diesen Inhalt hat der Begriff des Betriebsvermögens in § 4 Abs. 1 EStG sowie in der jetzigen Fassung des § 29 Abs. 1. Die jetzige Fassung des § 29 Abs. 1 stellt die systematisch richtigere Definition dar; Betriebsvermögen ist das von dem Steuerpflichtigen bei seiner betrieblichen Tätigkeit eingesetzte (eigene) Vermögen, also das Kapital. Dieses Betriebsvermögen ergibt sich als Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der aktivierten Positionen, d. h. regelmäßig der Wirtschaftsgüter (Vermögensgegenstände), die das Rohvermögen bilden, einerseits und den Sonderposten mit Rücklageanteil, Verbindlichkeiten einschließlich Rückstellungen und passiven Rechnungsabgrenzungsposten andererseits.
2.2 Ableitung des Eigenkapitals aus der Steuerbilanz
2.2.1 Begriff der Steuerbilanz
Rz. 8
Nach Abs. 1 ist das Eigenkapital aus der Steuerbilanz abzuleiten, obwohl es eine Steuerbilanz in strengem rechtlichen Sinne als eigenständige Bilanz nicht gibt. Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit (vgl. Frotscher, EStG, § 5 Rz. 26ff.) ist Grundlage der Besteuerung die Bilanz, die aus der ordnungsmäßigen Buchführung abgeleitet wird, und damit die Handelsbilanz. Lediglich in den Fällen, in denen die Handelsbilanz Ansätze enthält, die zwar den handelsrechtlichen, nicht aber den steuerrechtlichen Vorschriften entsprechen, sind Anpassungen an die steuerlichen Bestimmungen erforderlich. Diese Anpassungen können in einer "Steuerbilanz" vorgenommen werden, möglich ist aber auch, wie es § 60 Abs. 2 S. 1 EStDV vorsieht, die handelsrechtlichen Ansätze durch Zusätze oder Anmerkungen in der Handelsbilanz den steuerlichen Vorschriften anzupassen (vgl. Rz. 10).
Rz. 9
Die wesentlichen Abweichungen der Steuerbilanz von der Handelsbilanz sind die folgenden (vgl. ausführlich Frotscher, EStG, § 5 Rz. 27a):
- handelsrechtliche Bilanzierungshilfen dürfen steuerlich nicht angesetzt werden;
- Beteiligungen an Personengesellschaften sind steuerlich mit dem Ergebnis der gesonderten Gewinnfeststellung zu bilanzieren;
- handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte sind steuerlich Aktivierungsgebote, handelsrechtliche Passivierungswahlrechte (z. B. Aufwandsrückstellungen) sind Passivierungsverbote;
- die Bildung und Bewertung von Rückstellungen ist steuerlich durch § 5 Abs. 3, 4, 4a, 4b, § 6 Abs. 3a und § 6a EStG eingeschränkt;
- bei der Bewertung können sich Abweichungen insbesondere bei den Abschreibungen ergeben (z. B. unterschiedliche Abschreibungsdauer der Firmenwerte).
Rz. 10
Enthält die Handelsbilanz nur Ansätze oder Beträge, die den steuerlichen Vorschriften entsprechen, übernimmt sie voll die Funktion einer Steuerbilanz, ohne im eigentlichen Wortsinn eine solche zu sein. Das Eigenkapital kann daher nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ohne weiteres aus ihr abgeleitet werden.
Enthält die Handelsbilanz Ansätze und Beträge, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, bieten sich folgende Möglichkeiten:
- § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV: Die Abweichungen sind in statistischer Form neben der auf dem Buchführungswerk beruhenden Bilanz durch Zusätze und Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen. Bei Ermittlung des Eigenkapitals ist das aus der Handelsbilanz abgeleitete Eigenkapital um das sich aus den Zusätzen und Anmerkungen ergebende Mehr- oder Wenigervermögen zu korrigieren.
- § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV: Der Steuerpflichtige stellt ohne gesetzliche Verpflichtung eine Steuerbilanz, d. h. eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Vermögensübersicht auf. Aus dieser Steuerbilanz kann das Eigenkapital unmittelbar abgeleitet werden.
2.2.2 Eigenkapital nach der Steuerbilanz
Rz. 11
Das Eigenkapital (Betriebsvermögen) nach der Steuerbilanz wird ermittelt als Unterschiedsbetrag zwischen Rohvermögen (in der Steuerbilanz aktivierte Positionen, d. h. i. d. R. Wirtschaftsgüter/Vermögensgegenstände) einerseits und Sonderposten mit Rücklageanteil, Schulden (einschließlich Rückstellungen) und passiven Rechnungsabgrenzungsposten der Steuerbilanz andererseits (Einzelheiten zur Ermittlung des Eigenkapitals vgl. Rz....