Prof. Dr. Gerrit Frotscher
3.1 Zweck der Abgrenzung
Rz. 38
Nach Abs. 2 S. 1 ist das Eigenkapital in das für Ausschüttungen verwendbare Eigenkapital (verwendbares Eigenkapital) und das übrige Eigenkapital aufzuteilen. Diese Unterscheidung ist für das Anrechnungsverfahren von grundlegender Bedeutung. Sie entfaltet ihre Wirkung immer dann, wenn eine Anrechnungskörperschaft Eigenkapital an die Gesellschafter auskehrt, sei es in Form von offenen oder verdeckten Gewinnausschüttungen oder in Form von sonstigen Leistungen, die auf Grund einer Kapitalherabsetzung oder nach Auflösung der Anrechnungskörperschaft an die Anteilseigner fließen.
Rz. 39
Die Auskehrung von übrigem Eigenkapital ist bei den Anteilseignern stets der Vermögenssphäre zuzuordnen und führt daher grundsätzlich nicht zu Einkünften. Auswirkungen auf die Höhe der Einkünfte können sich nur dann ergeben, wenn der Vermögenswert der Anteile bei dem Anteilseigner steuerverhaftet ist. Das ist stets der Fall, wenn die Anteile zu einem Betriebsvermögen gehören (vgl. § 40 Rz. 13). Gehören die Anteile zum Privatvermögen, sind sie nur steuerverhaftet, wenn
- sie zu einer wesentlichen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG gehören,
- es sich um einbringungsgeborene Anteile i.S.d. § 21 UmwStG handelt,
- spaltungs- oder verschmelzungsgeborene Anteile i.S.d. §§ 13, 15 UmwStG vorliegen.
Da die Auskehrung von übrigem Eigenkapital beim Anteilseigner nicht unmittelbar und primär zu Einkünften führt, nimmt sie am Anrechnungsverfahren nicht teil. Die Anrechnungskörperschaft hat daher bei der Auskehrung von übrigem Eigenkapital keine ausschüttungsbedingten Änderungen der Körperschaftsteuer nach § 27 vorzunehmen (vgl. die Übersicht Vor § 27 Rz. 114).
Rz. 40
Die Auskehrung von verwendbarem Eigenkapital führt bei den Gesellschaftern regelmäßig zu Einkünften, die ihrem Wesen nach unter § 20 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen) fallen. Diese Folge ist unabhängig davon, ob die Auskehrung in Form einer offenen Ausschüttung (einschließlich Vorabausschüttung) oder einer verdeckten Gewinnausschüttung, einer sonstigen Ausschüttung (z. B. Leistung auf beteiligungsähnliche Genussrechte) oder einer sonstigen Leistung i.S.d. § 41 (bestimmte Leistungen auf Grund einer Kapitalherabsetzung, Auskehrungen nach einer Auflösung der Anrechnungskörperschaft) erfolgt. Alle Arten der Gewinnausschüttung und Auskehrung auf beteiligungsähnliche Genussrechte fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die sonstigen Leistungen des § 41 fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Diese Auskehrungen nehmen am Anrechnungsverfahren teil; in allen Fällen dieser Auskehrung müssen von der Anrechnungskörperschaft die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen durchgeführt werden.
Von diesem Grundsatz gibt es aber zwei Ausnahmen. Bei einer Auskehrung aus dem EK 01 erfolgt keine Körperschaftsteuererhöhung (vgl. § 30 Rz. 121b). Die weitere Ausnahme betrifft das EK 04. Das EK 04 ist zwar "verwendbares Eigenkapital", es nimmt aber nicht am Anrechnungsverfahren teil. Bei seiner Auskehrung treten keine Körperschaftsteueränderungen ein; auf der Ebene der Anteilseigner wird die Auskehrung ebenso behandelt wie die von "übrigem Eigenkapital" (vgl. Rz. 39).
3.2 Aufteilung des Eigenkapitals
Rz. 41
Nach § 29 Abs. 2 S. 1 ist das Eigenkapital i.S.d. Abs. 1 der Anrechnungskörperschaft in das verwendbare und das übrige Eigenkapital aufzuteilen. Das Gesetz sagt nicht, in welcher Weise das geschehen soll. Nach § 47 werden nur die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals und die zum verwendbaren Eigenkapital gehörenden Teile des Nennkapitals gesondert festgestellt. Die Feststellungen des § 47 beziehen sich daher nur auf das verwendbare Eigenkapital, nicht auf das gesamte Eigenkapital und das übrige Eigenkapital. Aus der Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals ergibt sich auch nicht zwingend die Höhe des übrigen Eigenkapitals, da die Höhe des gesamten Eigenkapitals nicht festgestellt worden ist. Die Aufteilung hat zum Ende jeden Wirtschaftsjahres der Anrechnungskörperschaft zu erfolgen (zum Begriff des Wirtschaftsjahres vgl. § 7 Rz. 27ff.; vgl. auch § 30 Abs. 1 S. 1).
Rz. 42
Die vom Gesetz vorgeschriebene Aufteilung des Eigenkapitals in verwendbares und übriges Eigenkapital erfolgt nicht selbstständig und durch förmliche Feststellung, sondern nur als gedanklicher Zwischenschritt bei der Ermittlung und Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals. Während das Gesetz in § 29 Abs. 2 die Aufteilung des gesamten Eigenkapitals in den Vordergrund stellt, und hieran erst, als zweiten Schritt, die Ermittlung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in § 30 anknüpft, ist somit in der Praxis das Verhältnis umgekehrt; im Mittelpunkt steht die Ermittlung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals nach § 30, die Aufteilung des gesamten Eigenkapitals verkümmert zu einem unselbstständigen Zwischenschritt bei dieser Ermittlung. Rechtlich ist dies zulässig, da § 29 Abs. 2 wohl die Aufteilung anordnet, aber nicht bestimmt, wie dies geschehen soll; auch eine verfahrensmäßige Selbstständigkeit dieser Aufteilung ist vom Gesetz nicht vorgesehen.
Rz....