Prof. Dr. Gerrit Frotscher
4.1 Allgemeines
Rz. 67
Wird nach dem Systemwechsel eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beschlossen, so führt dieser Vorgang in der Handels- und Steuerbilanz zur Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital und damit zur Vernichtung bilanziell ausgewiesener Rücklagen. Da Rücklagen stets verwendbares Eigenkapital sind (vgl. Rz. 19, 20), berührt eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im Prinzip auch das verwendbare Eigenkapital. Gleichwohl führt die durch die Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital bedingte Vernichtung von Rücklagen in der Handels- und Steuerbilanz nicht zwangsläufig zur Vernichtung von verwendbarem Eigenkapital. Es kommt vielmehr darauf an, ob die in Nennkapital umgewandelte Rücklage aus Gewinnen gebildet worden ist, die in einem nach dem 31.12.1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahr erzielt worden sind, oder aus Gewinnen, die in einem vor dem 1.1.1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahr erzielt worden sind (vgl. eingehend zur Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital und zur darauf folgenden Kapitalherabsetzung § 41 Rz. 3ff., 7ff.).
4.2 Umwandlung von nach dem Systemwechsel erzielten Gewinnen in Nennkapital
Rz. 68
Enthält das Nennkapital Beträge, die ihm durch die Umwandlung von Rücklagen zugeführt worden sind, und sind die Rücklagen aus dem Gewinn eines nach dem 31.12.1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahres gebildet worden, so gehört auch dieser Teil nach § 29 Abs. 3 zum verwendbaren Eigenkapital. Die Kapitalerhöhung führt also nicht zu einer Umgliederung von verwendbarem Eigenkapital in übriges Eigenkapital. Das verwendbare Eigenkapital bleibt vielmehr in seiner Zusammensetzung und in seiner Höhe so bestehen, als ob eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht vorgenommen worden wäre. Folge ist, dass ein Teil des Nennkapitals zum verwendbaren Eigenkapital gehört.
Rz. 69
Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass
- nach dem Systemwechsel erzielter Gewinn, der durch die Umwandlung von Rücklagen Teil des Nennkapitals geworden ist, im Falle der Kapitalrückzahlung bei den Anteilseignern zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt und
- die auf diesem Teil des Nennkapitals lastende Körperschaftsteuer spätestens bei der Rückzahlung des Nennkapitals auf die Steuerschuld der Anteilseigner angerechnet werden kann.
Rz. 70
Im Rahmen der gesonderten Feststellung nach § 47 wird der für Ausschüttungen verwendbare Teil des Nennkapitals seinerseits gesondert festgestellt (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 2, § 47 Rz. 5ff).
4.3 Umwandlung von vor dem Systemwechsel erzielten Gewinnen und Einlagen in Nennkapital
Rz. 71
Wird das Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht, die aus dem Gewinn eines vor dem 1.1.1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahres gebildet worden sind, gilt die Sonderregelung des § 29 Abs. 3 nicht. Es kommen vielmehr die allgemeinen Grundsätze des § 29 Abs. 2 zur Anwendung, wonach Nennkapital übriges Eigenkapital ist. Gleiches gilt für die Verwendung von EK 04 für die Kapitalerhöhung.
Rz. 72
Die Umwandlung von vor dem Systemwechsel erzielten Gewinnen führt mithin dazu, dass in demselben Maße, in dem das Nennkapital erhöht wird, der aus den Altrücklagen bestehende Teil des verwendbaren Eigenkapitals (EK 03) vernichtet wird. Das stellt sich in der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals insoweit als endgültiger Abgang im EK 03 dar. Da nach der Verwendungsfiktion in § 41 Abs. 3 bei einer Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital vor allen anderen Eigenkapitalteilen die Eigenkapitalteile im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 3 (EK 03) als in Nennkapital umgewandelt gelten, führt jede Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln — solange positives EK 03 vorhanden ist — zu einem entsprechenden Abgang im EK 03. Erst für eine nach dem vollständigen Verbrauch eines positiven EK 03 vorgenommene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gelten die nach dem Systemwechsel erzielten Gewinne als umgewandelt.
Rz. 73
Bei einer Ausschüttung von vor dem Systemwechsel erzielten Gewinnen tritt keine Entlastung von der Körperschaftsteuer ein. Die Gesellschaft müsste vielmehr nach § 27 die Ausschüttungsbelastung herstellen, während der Anteilseigner die aus der Barausschüttung und dem Anrechnungsguthaben bestehende Ausschüttung als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuern müsste. Dadurch, dass mit einer Umwandlung von vor dem Systemwechsel erzielten Gewinnen in Nennkapital zugleich eine Umwandlung von verwendbarem Eigenkapital in übriges Eigenkapital verbunden ist, wird die Möglichkeit eröffnet, dass Altrücklagen, die in Nennkapital umgewandelt worden sind, den Anteilseignern steuerfrei — nämlich in Form der Kapitalrückzahlung — zurückgewährt werden können. Als Ausgleich hierfür greift im bestimmten zeitlichen Rahmen die Pauschsteuer nach § 5 KapErhG ein (vgl. § 41 Rz. 8f.).