Prof. Dr. Gerrit Frotscher
3.3.4.1 Übersicht und zeitlicher Anwendungsbereich
Rz. 23
Für den Zeitraum bis zum Veranlagungszeitraum 1993 einschließlich waren in § 8 Abs. 5 und § 33 Abs. 3 Sonderregelungen enthalten für das Zusammentreffen von Verlustrücktrag und Ausschüttungen. Diese Regelung diente dazu, zu vermeiden, daß die Körperschaftsteuerentlastung durch den Verlustrücktrag durch die Körperschaftsteuererhöhung bei Finanzierung der Ausschüttung aus dem EK 01 — EK 03 zunichte gemacht würde.
Die Regelung hatte jedoch zwei wesentliche Nachteile. Sie war sehr kompliziert und machte eine Reihe von "Schattenberechnungen" und Alternativberechnungen erforderlich. Außerdem versagte sie den Verlustrücktrag und damit die steuerliche Entlastung auch dann, wenn genügend belastetes Eigenkapital als Vortrag vorhanden war, also nicht die Gefahr bestand, daß durch Körperschaftsteuererhöhungen der Entlastungseffekt des Verlustrücktrages entfiel.
Durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.9.1993 wurde die Regelung daher geändert und § 8 Abs. 5 und § 33 Abs. 3 ersatzlos aufgehoben. Statt dessen wurde die Regelung eingeführt, daß der Verlustrücktrag von dem Antrag des Steuerpflichtigen abhängig ist. Die Anrechnungskörperschaft kann daher jetzt selbst errechnen, ob und in welcher Höhe sie den Verlustrücktrag geltend machen will; sie kann damit sicherstellen, daß der Verlustrücktrag nicht zu einer ausschüttungsbedingten Körperschaftsteuererhö
hung führt, und kann damit ihre steuerliche Belastung optimieren (zur Neuregelung vgl. Rz. 35a).
Eine eigenständige Anwendungsregelung enthielt das Gesetz nicht; die allgemeine Inkrafttretensregelung ("ab Vz 1994") erwies sich jedoch als zu unpräzise. Daher ist durch Gesetz vom 21.12.1993 eine eigenständige Regelung über das Inkrafttreten geschaffen worden.
Nach § 54 Abs. 12a ist die bisherige Regelung letztmals anzuwenden, soweit Verluste des Vz 1993 auf den Vz 1992 zurückgetragen werden. Die Verluste des Vz 1993 unterliegen daher für die Rücktragszeiträume 1992 und 1991 noch der bisherigen Regelung. Verluste des Vz 1994 unterliegen dagegen vollen Umfangs der Neuregelung, und zwar auch, soweit diese Verluste auf den Vz 1992 zurückgetragen werden. Im Vz 1992 können daher Verlustrücktrag nach altem Recht (aus Vz 1993) und nach neuem Recht (aus Vz 1994) zusammentreffen (zu den Folgen vgl. § 8 Rz. 195).
3.3.4.2 Beschränkung des Verlustrücktrags und Festschreibung der Ausschüttungsreihenfolge
Rz. 24
§ 33 Abs. 3 enthielt bis 1993 (vgl. Rz. 23) eine Sonderregelung für die Fälle, in denen für das Rücktragsjahr die Ausschüttungsbelastung herzustellen war, d. h. für Fälle, in denen für das Rücktragsjahr Ausschüttungen vorgenommen wurden.
Diese Vorschrift war in engem Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) zu sehen. Nach dieser Vorschrift war der Verlustrücktrag nur insoweit vorzunehmen, als für das Rücktragsjahr keine Ausschüttungen vorgenommen wurden. Soweit Beträge ausgeschüttet worden waren, darf der Verlustrücktrag das Einkommen in Höhe dieser Ausschüttungen zuzüglich der hierauf ruhenden Ausschüttungsbelastung nicht mindern. Der Grund dieser Regelung liegt im Prinzip der Anrechnung der Ausschüttungsbelastung bei dem Anteilsinhaber. Da dieser einen Betrag (zur damaligen Zeit) in Höhe von 9/16 (= 36/64) der Bardividende (= 36 % der Bruttodividende) als Anrechnungsguthaben erhält, mußte sichergestellt sein, daß die Körperschaft diesen Betrag auch tatsächlich an das Finanzamt abführte. Wäre die Zulässigkeit des Verlustrücktrages nicht eingeschränkt, so würde entweder auch die Ausschüttung unbelastet, d. h. ohne Ausschüttungsbelastung, erfolgen und der Anteilsinhaber die Steuergutschrift zu Unrecht erhalten, oder es müßte trotz des Verlustrücktrages entsprechend § 35 die Ausschüttungsbelastung für die Ausschüttung hergestellt werden; dann wäre der Verlust durch den Verlustrücktrag verbraucht, ohne daß bei der Körperschaft eine Entlastung eingetreten wäre.
§ 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) gestattet den Verlustrücktrag, soweit das Einkommen des Rücktragsjahres die Ausschüttung zuzüglich Ausschüttungsbelastung übersteigt. Durch den Verlustrücktrag darf also die Ausschüttung nicht entlastet werden; entlastet werden dagegen alle anderen im Einkommen enthaltenen Beträge, also nicht ausgeschüttete Gewinne sowie nicht abzugsfähige Ausgaben.
Rz. 24a
§ 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) beruhte auf der Fiktion, daß, wenn im Abzugsjahr Ausschüttungen vorgenommen wurden, diese Ausschüttungen aus den im Abzugsjahr erzielten Gewinnen stammen; nur, wenn man dies unterstellt, tritt die geschilderte Problematik auf. Hiermit kollidiert jedoch § 28 Abs. 2, wonach das gesamte verwendbare Eigenkapital, unabhängig davon, in welchem Jahr es entstanden ist, für die Ausschüttungen des Rücktragsjahres zur Verfügung steht. Da es sich bei § 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) jedoch um eine zwingende Regelung handelte, griff sie auch ein, wenn genügend voll belastetes verwendbares Eigenkapital für die Ausschüttungen zur Verfügung steht, also auch in Fällen, in denen der Verlustabzug voll zur Geltung k...