Prof. Dr. Gerrit Frotscher
1.1 Systematische Stellung der Vorschrift
Rz. 1
§ 38b ist eine spezielle Vorschrift, die an § 30 Abs. 3 anknüpft. Während § 30 Abs. 3 allgemeine Regelungen für die erstmalige Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals enthält, regelt § 38b entsprechende Fragen für die Fälle der Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung und Vermögensübertragung. Dabei geht § 30 Abs. 3 dem § 38b vor; soweit es sich um die erstmalige Gliederung handelt, ist also § 30 Abs. 3 anzuwenden, auch wenn es sich um die erstmalige Gliederung im Rahmen einer Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung oder Vermögensübertragung handelt. In ihrer sachlichen Aussage entsprechen sich aber beide Vorschriften; beide ordnen die Einstellung des Vermögens in das EK 04 an.
Außerdem ist § 38b eine Ergänzung zu §§ 38, 38a. Während §§ 38, 38a die Auswirkungen auf die Gliederungsrechnung bei einem Vermögensübergang von einer Anrechnungskörperschaft auf eine andere Anrechnungskörperschaft regeln, befaßt sich § 38b mit den Auswirkungen auf die Gliederungsrechnung der übernehmenden Körperschaft, wenn das Vermögen von einer Nichtanrechnungskörperschaft übergeht.
1.2 Geltungsbereich
Rz. 2
§ 38b ist auf Fälle anwendbar, in denen verwendbares Eigenkapital von einer Nichtanrechnungskörperschaft (einschließlich Personengesellschaften) auf eine Anrechnungskörperschaft übergeht. Die Vorschrift gilt allerdings nur "vorbehaltlich des § 30 Abs. 3"; soweit der Geltungsbereich des § 30 Abs. 3 reicht, ist § 38b daher nicht anwendbar. § 38b erfaßt nur die Fälle, in denen die übernehmende Anrechnungskörperschaft nicht auf Grund der Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung neu gegründet worden ist; in diesen Fällen handelt es sich um eine erstmalige Gliederung, für die § 38 Abs. 3 gilt.
Es gelten damit also folgende Regelungen für die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals:
- Vermögensübergang durch Verschmelzung und Spaltung von einer Anrechnungskörperschaft auf eine andere Anrechnungskörperschaft: §§ 38, 38a;
- Vermögensübergang durch Verschmelzung oder Spaltung von einem Rechtsträger, der nicht Anrechnungskörperschaft ist, auf eine neu entstehende Anrechnungskörperschaft: § 30 Abs. 3;
- Vermögensübergang durch Verschmelzung oder Spaltung von einem Rechtsträger, der nicht Anrechnungskörperschaft ist, auf eine bestehende Anrechnungskörperschaft: § 38b.
Rz. 3
§ 38b ist durch das Gesetz zur Änderung des Umwandlungsteuerrechts vom 28.10.1994 eingeführt worden. Die Vorschrift ist nach § 54 Abs. 12 erstmals anwendbar auf den Übergang von Vermögen, der auf Rechtsakten beruht, die nach dem 31.12.1994 wirksam werden (hierzu sowie zu Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich dieser Formulierung vgl. § 38 Rz. 5).