1 Allgemeines

1.1 Persönliche und sachliche Voraussetzungen für die Ausstellung einer Steuerbescheinigung

 

Rz. 1

Verpflichtet zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung ist die (unbeschränkt steuerpflichtige) Körperschaft, die für eigene Rechnung Leistungen i.S.d. Anrechnungsverfahrens erbringt (zur Bedeutung der Vorschrift und ihrer systematischen Einordnung vgl. Vor § 44). Erfaßt werden damit alle Körperschaften, also nicht nur Kapitalgesellschaften. Hinzu kommen muß aber, daß sie unbeschränkt steuerpflichtig sind, und daß sie Leistungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und/oder 2 EStG erbringen. Der Kreis der verpflichteten Körperschaften ist damit auf die Anrechnungskörperschaften (vgl. § 27 Rz. 26) beschränkt.

Ausgleichszahlungen an außenstehende Anteilseigner hat die Organgesellschaft zu bescheinigen, auch wenn sie vom Organträger geleistet werden. Steuerlich sind die Ausgleichszahlungen der Organgesellschaft zuzuordnen, so daß für die Ausstellung der Steuerbescheinigung nicht maßgebend ist, daß der Organträger, und nicht die Organgesellschaft, die Leistungen "für eigene Rechnung" erbringt.

Ist Gesamtrechtsnachfolge eingetreten (Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung), geht die Verpflichtung zur Ausstellung der Steuerbescheinigung auf den übernehmenden Rechtsträger für Leistungen vor dem Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge über (z. B. später aufgedeckte verdeckte Gewinnausschüttung; vgl. Thielemann, in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 44 Rz. 30b; zum Übergang auch der verfahrensrechtlichen Stellung auf den Gesamtrechtsnachfolger vgl. Schwarz, AO, § 45 Rz. 16). Das gilt auch, wenn der übernehmende Rechtsträger keine Anrechnungskörperschaft, sondern z. B. eine Personengesellschaft ist. Der Übergang der Verpflichtung erfolgt zeitlich mit handelsrechtlichem Erlöschen der übertragenden Körperschaft (Eintragung des Vermögensübergangs im Handelsregister), nicht bereits mit dem steuerlichen Übertragungsstichtag; solange die übertragende Körperschaft noch besteht, kann sie auch die Steuerbescheinigung ausstellen.

Bei der Abspaltung bleibt der ausschüttende Rechtsträger bestehen, so daß dieser die Steuerbescheinigung auszustellen hat. Bei der Aufspaltung erlischt der übertragende Rechtsträger, so daß er ab Erlöschen die Steuerbescheinigung nicht mehr ausstellen kann. Die Verpflichtung betrifft die übernehmenden Rechtsträger; welcher von ihnen die Steuerbescheinigung tatsächlich ausstellt, hängt von Zweckmäßigkeitsgründen ab, es muß aber sichergestellt werden, daß die Steuerbescheinigung nur einmal ausgestellt wird[1].

 

Rz. 1a

Die Bescheinigung ist über alle Leistungen zu erteilen, die in das Anrechnungsverfahren einbezogen sind (Gewinnausschüttungen, verdeckte Gewinnausschüttungen; sonstige Leistungen nach § 41, Kapitalherabsetzung, für die verwendbares Eigenkapital verwendet wird, Liquidationsraten, Ausgleichszahlungen an außenstehende Anteilseigner).

Die Steuerbescheinigung nach § 44 Abs. 1 ist von der ausschüttenden Körperschaft auszustellen,

  • wenn sie für eigene Rechnung Leistungen erbringt, die bei den Anteilseignern Einnahmen im Sinn des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG sind (vgl. Vor § 27 Rz. 90ff., § 41 Rz. 14ff.); maßgebend ist, daß die Leistungen ihrer Art nach zu den in § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG beschriebenen Leistungen gehören, nicht entscheidend ist die Einkunftsart;

    und

  • wenn sie mit der Ausstellung der Bescheinigung nicht gegen ein Ausstellungsverbot gem. § 44 Abs. 2 verstößt (vgl. Rz. 34ff.).

Weitere Voraussetzung für die Ausstellung der Steuerbescheinigung ist, daß die Körperschaft tatsächlich eine Leistung im Sinn des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG an den Anteilseigner erbracht hat, d. h., daß diese Leistung bei dem Anteilseigner zugeflossen ist (vgl. Rz. 17ff.). Es reicht nicht aus, daß die Körperschaft solche Leistungen erbringen könnte oder in anderen Jahren erbracht hat; die Verpflichtung besteht nur für denjenigen Zeitraum, für den solche Leistungen tatsächlich erbracht worden sind.

Es muß sich um Leistungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG handeln; Leistungen aus EK 04 genügen daher nicht. Erbringt die Körperschaft nur Leistungen aus dem EK 04, besteht keine Verpflichtung zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen[2]. Werden Leistungen aus dem EK 04 neben Leistungen aus anderen Eigenkapitalteilen erbracht, besteht die Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung; die Leistung aus dem EK 04 ist dann nach Nr. 7 ebenfalls zu bescheinigen (vgl. Rz. 28). Ebenfalls keine Bescheinigungspflicht besteht bei der Auskehrung von Nennkapital, das nicht zum verwendbaren Eigenkapital gehört, und bei der Rückzahlung von Nachschußkapital (vgl. § 41 Rz. 22, 27).

 

Rz. 2

Unter den Voraussetzungen der Rz. 1 hat der Anteilseigner einen klagbaren Anspruch auf Erteilung einer Steuerbescheinigung gegenüber der ausschüttenden Körperschaft (vgl. Vor § 44, Rz. 7ff.; zur Bedeutung der Steuerbescheinigung als materiellrechtlicher Voraussetzung für die Anrechnung vgl. Vor § 44 Rz. 5).

(Anschluß S. 5)

[1] Vgl. Schrickel, in Arthur Andersen, KStG, zu § 44 Rz. 24.
[2] Vgl. Thielemann, in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 44 Rz. 26.

1.2 Anteilseigner

1.2.1 Allgemeines

 

Rz. 3

Der Anspru...

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