Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 23
Eine Sonderregelung gilt nach Abs. 1 S. 4 für Bezüge, die in dem (steuerpflichtigen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einer Körperschaft anfallen, wenn diese Körperschaft wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke von der Körperschaftsteuer befreit ist. Solche Körperschaften sind, wenn sie Kapitalgesellschaften sind, Anrechnungskörperschaften. Für sie gilt Abs. 1 S. 1 bis 3 nicht. Das bedeutet, dass Auskehrungen einer Anrechnungskörperschaft aus dem EK 01 an die steuerbefreite Körperschaft bei dieser nicht steuerfrei, sondern steuerpflichtig sind. Da die Ausschüttungsbelastung bei der ausschüttenden Körperschaft nicht hergestellt worden ist, erfolgt auch keine Anrechnung (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3a EStG). Andererseits sind Gewinnminderungen auf Grund dieser Ausschüttung steuerlich absetzbar.
Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass steuerbefreite Körperschaften keine Ausschüttungen vornehmen dürfen, die Anwendung des Abs. 1 S. 1 also zur dauerhaften steuerfreien Thesaurierung führen würde. Die Regelung des Abs. 1 S. 1 wird aber nur als gerechtfertigt angesehen, wenn die Steuerfreistellung der Ausschüttung aus dem EK 01 nur zu einem Aufschub der Steuer und zur (Nach-)Versteuerung bei einer Ausschüttung führt. Da dies bei einer steuerbefreiten Körperschaft nicht möglich ist, wird die Steuerbefreiung der Ausschüttung aus dem EK 01 gänzlich ausgeschlossen.
Handelt es sich bei der steuerbefreiten Körperschaft um einen rechtsfähigen Verein, ist diese Sonderregelung nicht anwendbar; bei Vereinen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ist § 8b Abs. 1 schon dem Grunde nach nicht anwendbar, so dass sich eine Ausnahmeregelung wie Abs. 1 S. 4 erübrigt.
Für Körperschaften, die nach anderen Nummern des § 5 von der Körperschaftsteuer befreit sind (z. B. Pensions-, Sterbe-, Kranken- und Unterstützungskassen, § 5 Abs. 1 Nr. 3; Berufsverbände, § 5 Abs. 1 Nr. 5, die auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten können), gilt diese Einschränkung des Geltungsbereichs des § 8b Abs. 1 nicht. Das bedeutet, dass die Ausschüttungen aus dem EK 01 bei diesen Körperschaften von der Körperschaftsteuer befreit sind, ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen haben nach S. 3 keine steuerlichen Auswirkungen. Da diese Körperschaften dem Grunde nach Ausschüttungen vornehmen können, kann eine Nachversteuerung bei Ausschüttung nach den allgemeinen Regeln bei den Anteilseignern erfolgen.
Rz. 24
Die Sonderregelung des S. 4 gilt nur, wenn die Ausschüttung aus dem EK 01 in einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der steuerbefreiten Körperschaft fließt. Nur dann unterliegt die Ausschüttung der Steuer, so dass die Gefahr einer systemwidrigen dauernden steuerfreien Thesaurierung besteht. Fließt die Ausschüttung dagegen in den steuerbegünstigten Bereich, ist § 8b Abs. 1 S. 1—3 anwendbar (zum Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und seiner steuerlichen Behandlung im Allgemeinen vgl. § 8 Rz. 224ff.).
Die Beteiligung an einer Anrechnungskörperschaft wird bei der steuerbefreiten Körperschaft regelmäßig in den Bereich der Vermögensverwaltung fallen. Die Ausschüttung fließt also regelmäßig in den steuerbefreiten Bereich. Zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb wird die Beteiligung nur gehören, wenn die Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist. Bei gewillkürtem Betriebsvermögen wird das Wahlrecht regelmäßig dahin ausgeübt werden, dass die Beteiligung zum steuerfreien Bereich gehört, da dies steuerlich günstiger ist.
Rz. 25
Die Ausschüttung einer Anrechnungskörperschaft aus dem EK 01 an eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 steuerbefreite Körperschaft wird damit steuerlich folgendermaßen behandelt:
- Die Ausschüttung fließt in einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb: Die Ausschüttung ist steuerpflichtig; mangels einer Ausschüttungsbelastung erfolgt keine Anrechnung. Die Ausschüttung wird in das belastete Eigenkapital eingestellt.
- Die Ausschüttung fließt in den steuerfreien Bereich: § 8b Abs. 1 S. 1 ist anwendbar, d. h. die Ausschüttung ist von der Körperschaftsteuer befreit. Diese sachliche Steuerbefreiung geht der allgemeinen Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 vor, da diese bei dem Einkommen ansetzt, die Ausschüttung aus dem EK 01 aber wegen § 8b Abs. 1 nicht mehr im Einkommen enthalten ist. Das hat Bedeutung für die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals, wenn die steuerbefreite Körperschaft eine Anrechnungskörperschaft ist: Die Einnahme aus der Ausschüttung wird nicht zusammen mit dem Einkommen in das EK 02 eingestellt, sondern nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 in das EK 01.