Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 132
Die ab Vz 1998 sowie für den Fall des Verlusts der wirtschaftlichen Identität nach dem 5.8.1997 geltende Regelung enthält eine Ausnahme für Sanierungen. Danach führt die Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen nicht zum Verlust der wirtschaftlichen Identität, wenn es sich um eine Sanierung handelt. Diese Ausnahme war erforderlich, da sonst Sanierungen erheblich erschwert, nach Wegfall des § 3 Nr. 66 EStG u. U. sogar unmöglich gemacht worden wären. Allerdings besteht angesichts der europarechtlichen Problematik zu der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG die Vermutung, dass auch die Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 KStG gegen das gemeinschaftsrechtliche Subventionsverbot verstieß.
Rz. 133
Die Zuführung des neuen Betriebsvermögens muss der Sanierung dienen. Der Begriff der Sanierung ist ebenso zu verstehen wie in § 3 Nr. 66 EStG a. F. Lediglich auf das Merkmal des Zusammenwirkens aller wesentlichen Gläubiger ist zu verzichten. Es müssen also kumulativ vorliegen:
- Sanierungsbedürftigkeit: Eine Zuführung von Betriebsvermögen kann nur dann der "Sanierung dienen", wenn die Kapitalgesellschaft sanierungsbedürftig ist.
- Sanierungseignung: Auch dieses Merkmal ergibt sich aus dem Tatbestand des Abs. 4 S. 3; eine Zuführung von Betriebsvermögen kann nur dann allein der Sanierung dienen, wenn sie zur Sanierung geeignet ist.
- Sanierungsabsicht: Dieses subjektive Merkmal ist nicht unmittelbar aus Abs. 4 S. 3 abzuleiten, der Tatbestand könnte auch rein objektiv verstanden werden. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass eine Zuführung von Betriebsvermögen "allein" der Sanierung dient, wenn die Zuführung von einer anderen Absicht getragen wird; die Zuführung würde dann zumindest auch der anderen Absicht dienen und nicht "allein" der Sanierung.
Dagegen ist der Erfolg der Sanierung nicht Tatbestandsvoraussetzung.
Rz. 134
Die Voraussetzungen müssen bezüglich des Geschäftsbetriebs vorliegen, der die Verluste verursacht hat. Folgt man der Ansicht, dass die Kapitalgesellschaft nur einen einzigen Geschäftsbetrieb haben kann, ist auf die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungseignung der Kapitalgesellschaft als Ganzes abzustellen. Eine Sanierung liegt aber nicht mehr vor, wenn der Geschäftsbetrieb im Rahmen der Vermögensübernahme eingestellt und ein neuer Geschäftsbetrieb eröffnet wird. Das ist der Fall, wenn eine vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft den Geschäftsbetrieb der Beteiligungsgesellschaft im Wege der Verschmelzung oder Anwachsung übernimmt und diesen Geschäftsbetrieb weiterführt. Ein aktiver Geschäftsbetrieb ist nicht der gleiche Geschäftsbetrieb wie eine Vermögensverwaltung. Das gilt auch, wenn die Kapitalgesellschaft Mitunternehmerin einer Personengesellschaft ist. Dem Mitunternehmer ist der Geschäftsbetrieb der Personengesellschaft nicht in der Weise zuzurechnen, dass er zum "eigenen Geschäftsbetrieb" des Mitunternehmers wird. Diese Rspr. ist problematisch, da sie "normspezifisch" für § 8 Abs. 4 KStG von der sonst vertretenen Konzeption der Mitunternehmerschaft abweicht. Hinzuweisen ist auch darauf, dass kaum von einer "Zuführung von neuem Betriebsvermögen" gesprochen werden kann, wenn dem Mitunternehmer über die Kapitalspiegelmethode das Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft bereits zugerechnet worden ist.
Rz. 135
Keine Voraussetzung der Sanierung ist, dass der Geschäftsbetrieb "sanierungswürdig" in dem Sinne ist, dass seine Erhaltung im Interesse der Arbeitnehmer oder von wirtschafts- und sozialpolitischen Zwecken steht. § 8 Abs. 4 KStG mit der Sonderregelung für Sanierungen dient nicht sozial- oder wirtschaftspolitischen Zwecken, diese Aspekte dürfen daher nicht berücksichtigt werden.
Rz. 136
Die Zuführung des Betriebsvermögens muss allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs dienen, der den verbleibenden Verlustabzug verursacht hat. Bei einer Kapitalgesellschaft ist fraglich, was unter "Geschäftsbetrieb" zu verstehen ist.
Rz. 137
Laut BMF kann eine Kapitalgesellschaft nur einen einzigen Geschäftsbetrieb haben. Daher ist bei mehreren Sparten innerhalb einer Kapitalgesellschaft nicht auf die einzelne Sparte, sondern auf die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft als Ganzes abzustellen. Diese Ansicht vermeidet praktische Probleme, die mit der Zuordnung des Verlusts auf einzelne Sparten verbunden sind, da steuerlich nicht der Gewinn oder Verlust einer Sparte, sondern nur der Gewinn und Verlust der Kapitalgesellschaft als Ganzes ermittelt wird. Allerdings ist sie mit dem Wortlaut des Gesetzes schwer in Einklang zu bringen. Das Gesetz spricht nicht von der Sanierung der Kapitalgesellschaft, sondern von der Sanierung des verlustverursachenden Geschäftsbetriebs. Wird auf die Kapitalgesellschaft als Ganzes abgestellt, ist das Merkmal "Geschäftsbetrieb" bedeutungslos. Wird dagegen auf die einzelnen selbstständigen Betriebsteile, Sparten oder Teilbetriebe abgestellt, ist zu ermitteln, welche dieser Betriebsteile die Verluste verursacht h...