3.1 Übersicht
Rz. 17
§ 32 Abs. 2 KStG enthält in vier Tatbeständen Ausnahmen von dem Abgeltungsprinzip(neben der Ausnahme nach Abs. 1 Nr. 2). In diesen Fällen hat der Steuerabzug keine Abgeltungswirkung. Die Abgeltungswirkung tritt danach nicht ein, wenn
- während desselben Kalenderjahrs sowohl beschränkte als auch unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat (Abs. 2 Nr. 1),
- der Gläubiger beim Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 EStG eine Veranlagung beantragt (Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4),
- der Stpfl. (d. h. der Gläubiger der Kapitalerträge) wegen der nicht einbehaltenen bzw. nicht abgeführten Steuerabzugsbeträge in Anspruch genommen werden kann (Abs. 2 Nr. 3) oder
- ein Fall des § 38 Abs. 2 KStG vorliegt (Abs. 2 Nr. 4).
3.2 Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
Rz. 18
Besteht während eines Vz sowohl beschränkte als auch unbeschränkte Stpfl. (z. B. in Wegzugs- oder Zuzugsfällen), sind die während der beschränkten Stpfl. erzielten Einkünfte grundsätzlich in die Veranlagung einzubeziehen. § 32 Abs. 2 Nr. 1 KStG nimmt deshalb folgerichtig während der beschränkten Stpfl. bezogene Einkünfte von der Abgeltungswirkung aus und bezieht diese in die Veranlagung ein.
3.3 Antrag bei Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 EStG
Rz. 19
Beschränkt stpfl. Körperschaften unterliegen generell dem Steuerabzug des § 50a Abs. 1 EStG, wonach erhobenen Abzugsteuern eine abgeltende Wirkung zukommt, ein Abzug von Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den erzielten Einkünften findet hierbei regelmäßig nicht statt. Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine solche Ungleichbehandlung als europarechtswidrig anzusehen ist. Der Gesetzgeber hat hierauf reagiert und die Möglichkeit einer "Nettobesteuerung" geschaffen, die auf zweierlei Arten möglich ist. Eine dieser Möglichkeiten sieht vor, dass keine Abgeltungswirkung des Steuerabzugs auf Basis des Bruttobetrags eintritt. Hiervon können auch Körperschaften profitieren, sodass § 32 Abs. 2 Nr. 2 KStG entsprechend diese Möglichkeit rechtlich verankert.
Rz. 20
Die Abgeltungswirkung kann ausgeschlossen und durch Veranlagung ersetzt werden bei Einkünften nach § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG. Da § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkünfte durch im Inland ausgeübte künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen und damit zusammenhängende Leistungen betrifft und unmittelbar durch die Körperschaft ausgeübte "Darbietungen" nicht in Betracht kommen, dürften Körperschaften nur als Vergütungsgläubiger, z. B. als Veranstalter oder Agenturen, betroffen sein.
Rz. 21
§ 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG betrifft Aufsichtsrats- und ähnliche Vergütungen. Dieser Tatbestand kommt für Körperschaften nicht infrage und ist wohl nur zur Angleichung an das EStG genannt worden.
Rz. 22
Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 2 Nr. 2 KStG kommt eine Veranlagung bei Einkünften nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht in Betracht. Unter diese Vorschrift fallen Einkünfte aus Lizenzen und ähnliche Know-how-Vergütungen. Aufgrund der bereits vorstehend genannten Rechtsprechung des EuGH besteht der Verdacht, dass die Regelung gegen Europarecht verstößt. Der BFH hat den Anwendungsbereich der Regelung zur Berücksichtigung von Betriebsausgaben beim Steuerabzug in Fällen des § 50a Abs. 3 EStG dementsprechend im Wege der normerhaltenden Interpretation auf den Tatbestand des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ausgedehnt; zum Veranlagungswahlrecht liegt noch keine Entscheidung vor. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Rspr. auch für das Veranlagungswahlrecht entsprechend entscheiden wird. Ein Rechtsmittelverfahren dürfte deshalb gute Aussicht auf Erfolg haben.
Rz. 23
Aufgrund des Umstands, dass ein Veranlagungswahlrecht auf Basis der Rechtsprechung des EuGH geschaffen wurde, hat der Gesetzgeber die Öffnung bewusst nur für solche Körperschaften zugelassen, welche unter die Grundfreiheiten des AEUV fallen. Dementsprechend normiert § 32 Abs. 4 KStG zusätzliche Voraussetzungen, welche zu erfüllen sind, damit die Möglichkeit zur Veranlagung in Betracht kommt. Demnach gilt § 32 Abs. 2 KStG nur für solche beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen i. S. d. § 2 Nr. 1 KStG, die nach dem Recht eines der EU-Mitgliedstaaten gegründet worden sind und deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedsstaaten befindet. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass keine Diskriminierung der Grundfreiheiten besteht.
Tatsächlich ist die Regelung m. E. nicht geeignet, sämtliche Bedenken gegen eine mögliche Europarechtswidrigkeit der Vorschrift auszuräumen. Zum einen verlangt die Vorschrift, dass Sitz und Ort der Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat befindlich sind. Für die Anwendung des KStG ist es hingegen regelmäßig ausreichend, wenn sich Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland befinden. Darüber hinaus werden nur solche Gesellschaften von der Vorschrift erfasst, die nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates gegründet worden sind, d. h. sämtliche Gesellschaften, die nach dem Recht eines Drittstaates gegründet worden sind, allerdings in einem EU- oder EWR-Staat der unbesc...