4.3.1 Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg
Rz. 461
§ 8b Abs. 4 KStG enthält andere Voraussetzungen für das Schachtelprivileg als das GewSt-Recht. Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg unterscheidet sich von dem neuen körperschaftsteuerlichen Schachtelprivileg insbesondere durch die geforderte Beteiligungsquote. Während für § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 KStG eine Beteiligung von 10 % ausreicht, verlangt § 9 Nr. 2a bzw. Nr. 7 GewStG eine Beteiligung von 15 % an Inlands- und Drittstaatengesellschaften bzw. von 10 % an EU-Gesellschaften.
Rz. 462
Auch bei der Beurteilung der maßgeblichen Beteiligung können Unterschiede auftreten. § 8b Abs. 4 KStG stellt auf den Beginn des Kalenderjahrs ab, also einen Zeitpunkt, verlangt aber keine Mindesthaltedauer. § 9 Nr. 7 S. 1 Hs. 1 GewStG fordert dagegen für Drittstaatengesellschaften, dass die Beteiligung seit Beginn des Erhebungszeitraums besteht, also während eines Zeitraums. Nach § 14 GewStG beginnt der Erhebungszeitraum zwar regelmäßig mit dem Kj. Allerdings kann der Beginn des Erhebungszeitraums von dem des Kalenderjahrs abweichen, wenn die GewSt-Pflicht erst später eintritt. Dies ist z. B. bei einer Neugründung der Fall. Nur für Inlandsgesellschaften nach § 9 Nr. 2a S. 1 GewStG und für EU-Gesellschaften nach § 9 Nr. 7 S. 1 letzter Hs. GewStG wird auch gewerbesteuerlich auf den Beginn des Erhebungszeitraums abgestellt, und damit ebenfalls auf einen Zeitpunkt.
4.3.2 DBA
Rz. 463
Das körperschaftsteuerliche Schachtelprivileg steht neben dem Schachtelprivileg der DBA. Auch wenn § 8b Abs. 4 KStG die Steuerfreistellung einer (ausl.) Dividende versagt, kann sich diese aus einem DBA ergeben. Regelmäßig sieht ein DBA für Dividenden kein ausschließliches Besteuerungsrecht des Quellenstaats vor. Vielmehr reduzieren einige DBA das Recht zur Erhebung einer Quellensteuer durch den Vertragsstaat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist. In den meisten DBA erfolgt die Reduzierung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf Null. In diesen Fällen kann Deutschland als Quellenstaat das Besteuerungsrecht gem. § 8b Abs. 4 KStG im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht durchsetzen. Die Regelung im DBA sorgt dafür, dass die Dividende im Quellenstaat steuerfrei zu stellen ist. Da das DBA nur in grenzüberschreitenden Fällen anzuwenden ist, kommt es insoweit zu einer Inländerdiskriminierung. Die praktische Bedeutung dürfte allerdings gering sein, weil die meisten DBA für eine Reduktion der Quellensteuer auf Null eine Mindestbeteiligungsquote von 10 % vorsehen. Damit fallen diese Sachverhalte regelmäßig nicht unter § 8b Abs. 4 KStG. Allerdings kann dem DBA ein eigener Regelungsbereich zukommen, wenn zu Beginn des Kalenderjahrs nur eine Streubesitzbeteiligung vorliegt, diese aber unterjährig durch Erwerb einer weiteren Streubesitzbeteiligung erhöht wird, sodass die Mindestquote des DBA-Schachtelprivilegs erreicht wird. Die DBA stellen anders als § 8b Abs. 4 KStG für die Beteiligungsquote nicht auf den Beginn des Kalenderjahrs ab, sondern auf den Ausschüttungszeitpunkt.
4.3.3 Mutter-Tochter-Richtlinie
Rz. 464
§ 8b Abs. 4 KStG wurde eingeführt, um die Europarechtswidrigkeit der bestehenden Rechtslage zu beseitigen. Grenzüberschreitende Ausschüttungen sind aber nicht nur an der Kapitalverkehrsfreiheit, sondern auch an der Mutter-Tochter-Richtlinie als Sekundärrecht zu messen. Jede nationale Regelung muss daher die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie umsetzen, um nicht wiederum das EU-Recht zu verletzen. Der nationale Gesetzgeber hat nur dann einen Gestaltungsspielraum, wenn entweder der Sachverhalt nicht von der Mutter-Tochter-Richtlinie erfasst ist oder diese den Mitgliedstaaten insoweit ein Wahlrecht einräumt.
Rz. 465
Die Mutter-Tochter-Richtlinie erlaubt im Rahmen des Freistellungsverfahrens eine Ausnahme für Streubesitzdividenden. Eine Ausschüttung ist nur dann freizustellen, wenn eine Beteiligung von mindestens 10 % vorliegt. Indem Dividenden nach bisheriger Rechtslage unabhängig von der Beteiligungshöhe bei der Empfängerkörperschaft nicht besteuert wurden, ist die deutsche Regelung daher über das nach der Mutter-Tochter-Richtlinie Erforderliche hinausgegangen. Damit verstößt eine Besteuerung von Dividenden aus Streubesitzbeteiligungen nicht per se gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie.
Rz. 466
Nicht ausdrücklich geregelt ist in der Mutter-Tochter-Richtlinie, zu welchem Zeitpunkt die Beteiligung bestehen muss. Denkbar sind der Beginn des Wirtschaftsjahrs, der Beginn des Kalenderjahrs und der Ausschüttungszeitpunkt als mögliche Anknüpfungszeitpunkte für die Steuerfreistellung. Das Ziel der Richtlinie, die Steuerfreiheit einer Ausschüttung sicherzustellen, spricht m. E. dafür, auf den Ausschüttungszeitpunkt abzust...