Rz. 470
Die Vorschrift gilt für alle KSt-Subjekte gem. § 1 KStG, die Ausschüttungen i. S. d. § 8b Abs. 1 S. 1 KStG empfangen können, und für alle von Abs. 1 erfassten Bezüge. Dazu gehören auch Einnahmen aus beteiligungsähnlichen Genussrechten.
Rz. 471
Nicht erfasst werden Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen. Diese bleiben unabhängig von der Höhe der Beteiligung steuerfrei. Dies ist systematisch nicht überzeugend, wenn man im Veräußerungserlös einen Gegenwert für nicht ausgeschüttete Dividenden sieht.
Rz. 472
Die Besteuerung von Streubesitzdividenden kann daher dadurch vermieden werden, dass Gewinne thesauriert statt ausgeschüttet werden und dass die Streubesitzbeteiligung zu einem Preis veräußert wird, der die thesaurierten Gewinne umfasst. Wirtschaftlich erhält der Veräußerer die thesaurierten Gewinne dann über den Veräußerungserlös. Auf diesem Weg können die thesaurierten Gewinne allerdings regelmäßig nur einmal realisiert werden. Um einen nennenswerten Effekt zu erreichen, müssten die möglichen Ausschüttungen mehrerer Jahre thesauriert werden, um sie dann einmalig durch die Veräußerung der Streubesitzbeteiligung zu realisieren. Problematisch dürfte sein, dass ein Minderheitsgesellschafter im Regelfall keinen Einfluss auf die Ausschüttungspolitik hat, sofern er nicht dem Mehrheitsgesellschafter nahesteht, weil er z. B. zum gleichen Konzern gehört. Dann kann die Ausschüttungspolitik so abgestimmt werden, dass sie die Interessen der Minderheitsgesellschafter berücksichtigt, um die Gesamtsteuerbelastung im Konzern möglichst gering zu halten. In diesem Fall können die thesaurierten Gewinne auch dadurch steuerfrei realisiert werden, dass die Beteiligung innerhalb des Konzerns veräußert wird. Durch Veräußerungen im Konzern kann auch umgangen werden, dass § 8b Abs. 4 KStG nur auf unmittelbare Beteiligungen abstellt.
Rz. 473
Bedeutung kommt der Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns auch beim Verkauf der Beteiligung an fremde Dritte zu, wenn bei der Transaktion darüber verhandelt wird, ob thesaurierte Gewinne noch vor der Veräußerung ausgeschüttet werden sollen oder der Kaufpreis entsprechend höher sein soll. Für Gesellschafter, die eine Beteiligung von weniger als 10 % halten, ist eine Erhöhung des Kaufpreises vorteilhaft. Derartiger Streubesitz kann insbesondere bei Managementbeteiligungen über Kapitalgesellschaften vorkommen, wenn das Management nicht direkt beteiligt ist, sondern die Beteiligungen über eine Kapitalgesellschaft zusammengefasst werden. Bei der Veräußerung können die Minderheitsgesellschafter daher daran interessiert sein, liquide Mittel der Gesellschaft nicht vorab in Form einer Gewinnausschüttung zu erhalten, sondern einen entsprechend höheren Kaufpreis zu erzielen.