Rz. 107

Schädlich i. S. d. § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KStG soll es (vorbehaltlich stiller Reserven) auch sein, wenn die Körperschaft ihren Zweck ändert. Damit soll verhindert werden, dass eine Körperschaft veräußert wird und diese Verluste später im Rahmen einer komplett anderen Geschäftstätigkeit genutzt werden. Dieser Fall gilt als Paradebeispiel für einen Kauf eines Verlustmantels. Daher wird er von dem Gesetzgeber als missbräuchlich angesehen. Sofern ein derartiger Verlusthandel vorliegt, ist die Einordnung als Missbrauch und damit als schädliches Ereignis nachzuvollziehen. Nach dem Gesetzestext werden aber nicht nur missbräuchliche Gestaltungen erfasst, sondern auch Fälle der allgemeinen Geschäftsentwicklung einer Körperschaft. Außerdem erfasst die Regelung Fälle des Mantelkaufs dann nicht, wenn die Zweckbestimmung nicht verändert wird; auch in derartigen Fällen müsste aber konsequenterweise ein Missbrauch gesehen werden und diese müssten ein schädliches Ereignis darstellen.

 

Rz. 108

§ 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KStG stellt darauf ab, ob der Geschäftsbetrieb einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird. Damit sind wohl die Fälle eines sog. Strukturwandels oder eines Branchenwechsels[1] erfasst. Der Wortlaut führt in der Praxis aber zu zahlreichen Auslegungsproblemen.

 

Rz. 109

Problematisch ist zunächst, wonach die Zweckbestimmung eines Geschäftsbetriebs zu bestimmen ist. Nicht ausreichend dürfte der Zweck sein, Gewinne zu erzielen, da dieser jedem Geschäftsbetrieb immanent ist. Er könnte daher nicht gewechselt werden. Nach der Gesetzesbegründung soll sich der Wechsel der Zweckbestimmung u. a. aus dem Wechsel beim im Handelsregister eingetragenen Zweck ergeben.[2] Eine derartige Abgrenzung hätte den Vorteil, dass es eine klare Definition gibt, die öffentlich ist. Allerdings kann der im Handelsregister eingetragene Zweck einer Kapitalgesellschaft auch sehr weit formuliert sein, sodass fast jede gewerbliche Tätigkeit darunter fällt. Es ist nicht erforderlich, dass der Zweck eng begrenzt ist. Außerdem kann eine Kapitalgesellschaft mehrere, im Handelsregister eingetragene Zwecke verfolgen. Der Eintrag in das Handelsregister kann nur ein Indiz sein. Gar nicht zu berücksichtigen ist er, wenn er fehlerhaft ist und nicht dem tatsächlichen Geschäftsbetrieb entspricht.[3]

 

Rz. 110

Problematisch ist auch, dass eine Kapitalgesellschaft ihren Zweck im Laufe der Zeit erweitern oder ändern kann, ohne dass darin ein Missbrauch liegen muss. Umgekehrt kann der Zweck sich auch verringern. Es kann Ausdruck der normalen Geschäftstätigkeit sein, dass ein zusätzlicher Zweck hinzugefügt wird. So kann z. B. eine produzierende Gesellschaft auch den Vertrieb ihrer Produkte übernehmen. War der Zweck ursprünglich nur in Form der Produktion im Handelsregister eingetragen, so wäre der Zweck zu ergänzen um den Vertrieb. Dies kann aber nicht schädlich i. S. d. § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KStG sein.

 

Rz. 111

Sinnvoll scheint es daher zu sein, eine enge Auslegung der Norm zu vertreten. Der Wortlaut spricht davon, dass der Geschäftsbetrieb "einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt" werden muss. Andersartig kann eine Zweckbestimmung aber nur dann sein, wenn der ursprüngliche Zweck aufgegeben wird. Wird er weiter verfolgt und kommt nur eine zusätzliche Zweckbestimmung dazu, kann die Norm daher nicht anwendbar sein. Diese Auslegung führt aber dazu, dass der Stpfl. die Anwendung der Regelung dadurch gestalten kann, dass er den ursprünglichen Zweck weiterführt und nur einen neuen daneben verfolgt oder dass er den ursprünglichen Zweck aufgibt. Allerdings kann in der Zweckerweiterung eine schädliche Aufnahme eines neuen Geschäftsbetriebs liegen (Rz. 114ff.).

 

Rz. 112

Die Änderung des Zwecks der Körperschaft ist nach dem Wortlaut der Norm nur dann schädlich, wenn es sich um einen "andersartigen" Zweck handelt. Unklar ist, was genau damit gemeint sein soll. Die Regelung wird so auszulegen sein, dass der "Geschäftsbetrieb" ein anderer ist. Dies wird nach den Merkmalen zu bestimmen sein, die in § 8d Abs. 1 S. 3ff. KStG definiert sind. Insoweit dürften die gleichen Aspekte zu berücksichtigen sein.[4]

[1] BMF v. 18.3.2021, IV C 2 – S 2745-b/19/10002 :002, Rz. 31 unterscheidet hier zwischen Strukturwandel und Branchenwechsel; insoweit gl. A. Leibner/Dötsch, in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8d KStG Rz. 61; Roser, in Gosch, KStG, § 8d KStG Rz. 76.
[2] Ebenso BMF v. 18.3.2021, IV C 2 – S 2745-b/19/10002 :002, Rz. 31, der das zumindest als Indiz ansehen will.
[3] BMF v. 18.3.2021, IV C 2 – S 2745-b/19/10002 :002, Rz. 31 nimmt ebenfalls redaktionelle Änderungen aus.
[4] Engelen/Bärsch, Der Konzern 2017, 22, 25.

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