Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 82
Ursprünglich hatte der BFH eine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung der Körperschaft darin gesehen, dass der Gesellschafter bzw. Gesellschafter-Geschäftsführer im Bereich der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft für eigene Rechnung tätig ist, ohne vom Wettbewerbsverbot wirksam befreit zu sein. Die Befreiung vom Wettbewerbsverbot musste zivilrechtlich wirksam und bei einem beherrschenden Gesellschafter vorherig, klar und eindeutig vereinbart sein. Der Rechtsgrund für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung wurde darin gesehen, dass der Gesellschafter bzw. Gesellschafter-Geschäftsführer eine Geschäftschance selbst wahrnahm und nicht der Gesellschaft überließ; i. d. R. lag also eine verhinderte Vermögensmehrung vor. Folge des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot war nach Wahl der Körperschaft Schadensersatz oder Herausgabe des durch das wettbewerbswidrige Verhalten Erlangte. Wurden diese Ansprüche nicht durchgesetzt, lag eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.
Rz. 83 einstweilen frei
Rz. 84
Die Ansicht des BFH zum Wettbewerbsverbot stand mit der Systematik der verdeckten Gewinnausschüttung nicht in Einklang. Das Wettbewerbsverbot (soweit es denn zivilrechtlich besteht) ist als zivilrechtlicher Maßstab nicht geeignet, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Steuerlich ist Schutzobjekt des Instituts der verdeckten Gewinnausschüttung die Abgrenzung der Einkommenserzielung von der Einkommensverwendung und damit letztlich die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Schutzobjekt des zivilrechtlichen Wettbewerbsverbot sind dagegen die Vermögensinteressen der (anderen) Gesellschafter, die durch die Treuepflicht geschützt sind. Steuerlich werden aber nicht die Treuepflicht und die Vermögensinteressen der anderen Gesellschafter geschützt, sondern die der Besteuerung unterliegende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Maßgebend ist also nicht ein Eingriff in die Vermögensinteressen der Gesellschafter, sondern die Reduzierung des Steuersubstrats der Gesellschaft. Das zivilrechtliche Wettbewerbsverbot hat also ein anderes Schutzobjekt als die verdeckte Gewinnausschüttung. Zivilrechtlich trifft den Gesellschafter kein allgemeines Wettbewerbsverbot. Für den Geschäftsführer besteht kein Wettbewerbsverbot, wenn die Gesellschafter gegenüber (treuwidrigen) Handlungen des Geschäftsführers nicht schutzbedürftig sind, also entweder, weil sie zustimmen, oder weil es sich um eine Ein-Mann-GmbH handelt, bei der der alleinige Gesellschafter auch der Geschäftsführer ist.
Steuerrechtlich schutzbedürftig sind aber gerade diese Fälle, in denen zivilrechtlich kein Wettbewerbsverbot besteht. Zustimmung der anderen Gesellschafter kann eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht ausschließen. Bei der Ein-Mann-GmbH ist die Manipulationsmöglichkeit, und daher das steuerliche Schutzbedürfnis, besonders groß. Die Anwendung des zivilrechtlichen Maßstabes im Steuerrecht versagt also gerade in den Fällen, die steuerlich besonders schutzbedürftig sind. Handelsrechtliche Maßstäbe gewähren andererseits den Schutz durch die verdeckte Gewinnausschüttung in Fällen, in denen ein Schutzbedürfnis aus steuerlicher Sicht nicht oder kaum besteht (mehrgliedrige Gesellschaft), da man es hier den anderen Gesellschaftern überlassen kann, eine treuwidrige Begünstigung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu verhindern. Das zivilrechtliche Wettbewerbsverbot ist daher kein geeigneter Maßstab im Kontext der verdeckten Gewinnausschüttung.
Rz. 85
Die Kritik in der Literatur und die Weiterentwicklung der zivilrechtlichen Rechtsprechung hat den BFH veranlasst, seine Ansicht zum Wettbewerbsverbot erheblich zu modifizieren und weitgehend aufzugeben. Dabei glich der BFH seine Rechtsprechung in einem ersten Schritt der zivilrechtlichen Rechtslage an. Er verneinte bei einem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH, das Vorliegen eines zivilrechtlichen Wettbewerbsverbotes. Das gilt auch, soweit ein Wettbewerbsverbot im Geschäftsführervertrag vereinbart ist; der Alleingesellschafter kann das Wettbewerbsverbot aufgrund seiner umfassenden Dispositionsbefugnis jederzeit aufheben. Entsprechend hat der BFH für den Fall entschieden, dass bei einer mehrgliedrigen GmbH alle Gesellschafter mit der Wettbewerbstätigkeit einverstanden waren.
In einem weiteren Schritt sieht der BFH keine verdeckte Gewinnausschüttung darin, dass ein bestehendes Wettbewerbsverbot von den Gesellschaftern ohne Gegenleistung aufgehoben wird. Ist dies zivilrechtlich möglich, muss auch das Steuerrecht diese Folge hinnehmen.
Schließlich hat der BFH entschieden, dass eine stillschweigende Genehmigung der Wettbewerbstätigkeit vorliege, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer schon bei Gründung der Kapitalgesellschaft (bzw. bei Anstellung) die Wettbewerbstätigkeit ausübe und das allen (anderen) Gesellschaftern bekannt sei, jedenfalls dann, wenn Satzung und/ode...