Prof. Dr. Gerrit Frotscher
3.4.5.2.1 Beherrschung durch Verfügung über die Stimmrechte
Rz. 128
Die Stellung eines beherrschenden Gesellschafters liegt vor, wenn der Gesellschafter aufgrund seiner Gesellschafterposition den Abschluss des Geschäftes, dessen Beurteilung als verdeckte Gewinnausschüttung infrage steht, erzwingen kann. Maßgebend ist somit, ob der Gesellschafter aufgrund der aus seiner Gesellschafterposition fließenden Stimmrechte den entscheidenden Beschluss (dem die Geschäftsführung dann folgt) durchsetzen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Gesellschafter ein umfassender Einfluss auf die Gesellschaft zusteht, sondern nur darauf, ob ein solcher Einfluss auf den sachlich begrenzten Bereich besteht, der zur Entscheidung steht und aus dem die verdeckte Gewinnausschüttung fließt.
Ob eine Beherrschung i. d. S. vorliegt, hängt von den Stimmrechten, die die Beteiligung dem Gesellschafter gewährt, sowie von den Mehrheitserfordernissen nach der Satzung ab. Für den normalen Geschäftsverkehr reicht regelmäßig eine Beteiligung zur Beherrschung aus, die mehr als 50 % der Stimmrechte gewährt. Stimmrechte von 50 % reichen regelmäßig nicht aus, obwohl der Gesellschafter hiermit Beschlüsse blockieren kann. Maßgebend ist aber nicht die Fähigkeit, Beschlüsse zu verhindern (Sperrminorität), sondern die Fähigkeit, Beschlüsse durchzusetzen.
Ist für den fraglichen Beschluss nach der Satzung eine höhere als die absolute (einfache) Mehrheit erforderlich, liegt eine beherrschende Stellung nur vor, wenn der Gesellschafter über diese höhere Mehrheit verfügt. Ist z. B. eine 3/4-Mehrheit erforderlich, liegt eine Beherrschung nur vor, wenn der Gesellschafter über diese 3/4-Mehrheit verfügt. Mehr als 50 % der Stimmrechte reichen dann für die Annahme einer Beherrschung nicht aus. Entsprechend liegt keine Beherrschung vor, wenn der fragliche Beschluss durch eine bestehende Sperrminorität verhindert werden kann. Der Gesellschafter ist dann trotz seiner Mehrheit nicht in der Lage, den fraglichen Beschluss durchzusetzen.
Rz. 129
Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sich eine beherrschende Stellung auch bei einer Beteiligung von 50 % oder weniger ergeben. Maßgebend ist immer, ob der Gesellschafter aufgrund der ihm zustehenden Stellung in der Lage ist, in der Gesellschaft in der zur Entscheidung stehenden Frage seinen Willen durchzusetzen. Solche besonderen Umstände können etwa in besonderen Regelungen im Gesellschaftsvertrag oder in schuldrechtlichen Abmachungen zu sehen sein, wonach die Kapitalgesellschaft gehalten ist, sich dem Willen des Gesellschafters zu beugen. Hält die Gesellschaft eigene Anteile, genügt bereits eine Beteiligung von 50 % oder geringer zur Beherrschung, da die Stimmrechte der eigenen Anteile ruhen. Eine Beteiligung von 50 % oder weniger kann dann mehr als 50 % der ausübbaren Stimmrechte und damit eine beherrschende Stellung vermitteln.
Verschafft sich ein Gesellschafter durch Verträge mit anderen Gesellschaftern die Verfügung über deren Stimmrechte, ist auf die Gesamtheit der ihm zur Verfügung stehenden Stimmrechte abzustellen, die er ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter ausüben kann.
Rz. 130
Es genügt auch eine mittelbare Beherrschung. Eine solche liegt vor, wenn der Gesellschafter die Körperschaft über eine oder mehrere Ketten von Beteiligungen (Personen- oder Kapitalgesellschaften) beherrscht, wobei der Gesellschafter in jeder der zwischengeschalteten Gesellschaften, mittelbar oder unmittelbar, über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt.
Im Beispiel beherrscht A die Körperschaft G mittelbar, weil er in jeder der Gesellschaften, die die mittelbare Beherrschung der G vermitteln sollen, mittelbar oder unmittelbar, z. T. durch Zusammenrechnung der Stimmrechte aus mehreren Beteiligungen, über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt. Es können auch die Stimmrechte aus mittelbaren mit denen aus unmittelbaren Beteiligungen zusammengerechnet werden, wenn sie letztlich dem Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte an der Körperschaft verschaffen. Maßgebend ist nur, dass der Gesellschafter durch die ihm zur Verfügung stehenden Stimmrechte den Beschluss über das Geschäft erzwingen kann. Nicht entscheidend ist, ob diese Verfügung über die Stimmrechte auf unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung oder auf Zusammenrechnung der Stimmrechte verschiedener Beteiligungen beruht.
In einem Sonderfall hat der BFH für die Vermittlung der Beherrschung durch eine mittelbare Beteiligung auch eine Beteiligung an einer Personengesellschaft berücksichtigt, in der der Gesellschafter nur zu 20 % stimmberechtigt war (der Gesellschafter war an der Kapitalgesellschaft, um deren Beherrschung es ging, unmittelbar zu 50 % beteiligt; die übrigen 50 % waren Betriebsvermögen der Personengesellschaft). Maßgebend war hier der Umstand, dass der Gesellschafter Geschäftsführer der Personengesellschaft war und sich dadurch die gesamten der Personengesellschaft zustehenden Stimmrechte zunutze machen konnte.
Rz. 131
Verfügt der Gesellschafter über die Mehrheit der Stimmrechte, besteht lediglic...