Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 20
Nach § 1 Abs. 2 SteuerHBekV werden die Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO i. V. m. der GewinnabgrenzungsaufzeichnungsVO für Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen verschärft. Diese Verschärfung erfolgt in zwei Punkten. Einmal sind Aufzeichnungspflichten nur erfüllt, wenn die Aufzeichnungen für alle Geschäftsbeziehungen zeitnah erstellt werden. "Zeitnah" dürfte i. S. d. § 3 Abs. 1 GewinnabgrenzungsaufzeichnungsVO zu verstehen sein, "Zeitnah" ist die Aufzeichnung dann, wenn sie spätestens 6 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs erstellt worden ist, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignet hat. Zweitens muss die Vorlage innerhalb der Frist des § 90 Abs. 2 S. 3 AO erfolgen, also statt in 60 Tagen innerhalb von 30 Tagen. Es werden also alle unter § 1 Abs. 1 SteuerHBekV fallenden Geschäftsvorfälle als "außergewöhnliche" Geschäftsvorfälle i. S. d. § 90 Abs. 3 AO behandelt.
Rz. 21
Bemerkenswert ist, dass die Aufzeichnungspflichten nur erfüllt sind, wenn die Aufzeichnungen für alle Geschäftsbeziehungen zeitnah erstellt sind. Die Nichterstellung oder die nicht zeitnahe Erstellung der Aufzeichnungen für nur einen, auch geringen Teil der Geschäftsbeziehungen führt insgesamt zur Nichterfüllung der Aufzeichnungspflichten und damit zur Nichtanwendung des § 8b KStG (vgl. im Übrigen § 1 SteuerHBekV Rz. 33; Einzelheiten zum Umfang der Aufzeichnungspflichten vgl. Uterhark, in Schwarz, AO, zu § 90 AO Rz. 27ff.).
Rz. 22
Unklar ist jedoch, was zu dokumentieren ist. § 1 Abs. 2 SteuerHBekV betrifft Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen. Da es bei § 4 SteuerHBekV um das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft geht, können mit dem Verweis auf § 1 Abs. 2 SteuerHBekV nur Geschäftsbeziehungen zwischen diesen beiden Gesellschaften gemeint sein. § 8b Abs. 1 KStG bzw. das internationale Schachtelprivileg nach den DBA beruht aber auf dem Gesellschaftsverhältnis, nämlich der Gesellschafter-Tochtergesellschaft-Beziehung. Dies ist als gesellschaftsrechtliche Beziehung keine "Geschäftsbeziehung". Die Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG bzw. des internationalen Schachtelprivilegs kann also nicht von der Dokumentation dieser gesellschaftsrechtlichen Beziehung abhängen.
Rz. 23
Offensichtlich ist dies aber auch nicht gemeint. Sowohl der Verweis auf § 90 Abs. 3 AO als auch der Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage in § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e S. 2 KStG mit der Formulierung der "Angemessenheit der zwischen nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG in ihren Geschäftsbeziehungen vereinbarten Bedingungen" deuten auf die Dokumentation der Verrechnungspreise hin. Dann stellt sich aber die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung. Die Ermächtigung muss nach Art. 80 Abs. 1 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein. Der Zweck der Ermächtigung, die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG bzw. dem internationalen Schachtelprivileg von der Erfüllung der Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise abhängig zu machen, ist unklar. Wenn eine Tochtergesellschaft eine Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft vornimmt, und diese Gewinnausschüttung bei der Muttergesellschaft nach § 8b Abs. 1 KStG bzw. dem internationalen Schachtelprivileg freigestellt wird, hat dies nichts mit den Verrechnungspreisen zu tun. In dieser Auslegung wäre § 4 SteuerHBekV wegen Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsnorm unwirksam.
Rz. 24
Die Unklarheit des Anwendungsbereichs lässt sich anhand des folgenden Sachverhalts erläutern:
- Die inländische Muttergesellschaft steht in Geschäftsbeziehungen zu der ausländischen Tochtergesellschaft. Die Preise, die die Muttergesellschaft zahlt, sind überhöht, oder die Preise, die die Tochtergesellschaft zahlt, sind zu niedrig. § 4 SteuerHBekV ist nicht anwendbar, weil seitens der Muttergesellschaft eine verdeckte Einlage vorliegt, für die § 8b KStG nicht gilt.
- Die inländische Muttergesellschaft steht in Geschäftsbeziehungen zu der ausländischen Tochtergesellschaft. Die Preise, die die Muttergesellschaft zahlt, sind zu niedrig, oder die Preise, die die Tochtergesellschaft zahlt, sind überhöht. In diesem Fall entsteht bei der Muttergesellschaft ein Mehrgewinn, der in vollem Umfang steuerpflichtig ist. Deutsche Besteuerungsinteressen sind also nicht berührt. In Betracht käme allenfalls der Fall, dass die ausländische Steuerverwaltung die verdeckte Gewinnausschüttung aufdeckt und den Gewinn berichtigt, und dass jetzt die deutsche Muttergesellschaft eine entsprechende Korrektur des Einkommens und den Ersatz durch eine steuerfreie verdeckte Gewinnausschüttung beantragt. Aber einmal sind diese Fälle so selten, dass die Vorschrift darauf nicht zielen kann, außerdem würde es ohnehin in Deutschland nur zur Korrektur kommen, wenn der ausländische Staat kooperiert, also alle erforderlichen Auskünfte erteilt.
- Denkbar wäre auch, dass die inländische Muttergesellschaft eine Holding ist und die Geschäftsbeziehungen sich zwischen einer inländischen und einer ausländischen Tochtergesellscha...