Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 15
Die SteuerHBekV erlegt dem Steuerpflichtigen umfangreiche Mitwirkungs- und Auskunftspflichten auf, an deren Nichterfüllung Rechtswirkungen geknüpft sind, die erdrosselnd wirken können, z. B. die Versagung des Betriebsausgabenabzugs (§ 1 SteuerHBekV). Diese Mitwirkungspflichten müssen nicht nur auf Anforderung der Finanzverwaltung erfüllt werden, wie etwa im Fall des § 1 Abs. 5 SteuerHBekV, sondern zeitnah nach Vornahme der Geschäftsvorfälle. Andererseits ist der sachliche Geltungsbereich der SteuerHBekV so weit gefasst, dass Geschäftsbeziehungen mit praktisch allen Staaten, auch OECD- und EU-Staaten, hierunter fallen (§ 1 SteuerHBekV Rz. 15). Dem Verordnungsgeber ist es offensichtlich nicht gelungen, diesen sachlichen Anwendungsbereich sachgerecht, d. h. entsprechend der Begründungen des Gesetz- und Verordnungsentwurfs, einzugrenzen (BT-Drs. 16/12852, 9; BR-Drs. 681/09, 5ff.). Eine Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs der SteuerHBekV durch ein BMF-Schreiben (Rz. 10f.) wäre rechtlich bedeutungslos, da der sachliche Regelungsbereich eines Gesetzes oder einer Verordnung nicht durch eine Verwaltungsanweisung geändert werden kann. Ein möglicher Schutz des Steuerpflichtigen aus Treu und Glauben wäre verfassungsrechtlich unzureichend und kann daher verfassungsrechtliche Bedenken nicht zerstreuen.
Rz. 16
Der sachliche Regelungsbereich der SteuerHBekV ist daher so unbestimmt, dass der Steuerpflichtige nicht wissen kann, ob er die Anforderungen der VO erfüllen muss. Da die Pflichten zeitnah zu erfüllen sind, kann er dem bei einer Aufforderung durch die Finanzverwaltung nachträglich nicht mehr nachkommen. Andererseits ist die Nichterfüllung der Pflichten mit gravierenden Sanktionen (Versagung des Betriebsausgabenabzugs) bewehrt, die die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten können.
Rz. 17
Die SteuerHBekV verstößt daher in besonderem Maße gegen das Gebot der inhaltlichen Bestimmtheit von Gesetzen, die in die Sphäre des Steuerpflichtigen eingreifen. Das ist umso gravierender, als ein sachgerechtes Mittel zur Konkretisierung des Anwendungsbereichs zur Verfügung gestanden hätte, nämlich die Auflistung der betroffenen Staaten und Gebiete durch Gesetz oder Rechtsverordnung. Die Verordnung und ihre Ermächtigungsgrundlage verstoßen daher in eklatanter Weise gegen das Rechtsstaatsgebot und können einen Eingriff in die Grundrechte des Steuerpflichtigen, nämlich Art. 3, 12 und 14 GG, nicht rechtfertigen. Die Regelung ist verfassungswidrig (im Ergebnis ebenso Kessler/Eicke, DB 2009, 1314).
Rz. 18
Aus den Ausführungen in Rz. 17 folgt auch die Europarechtswidrigkeit der Regelung. Da die Mitwirkungs- und Auskunftspflichten der SteuerHBekV bei rein innerstaatlichen Geschäftsbeziehungen nicht gelten, liegt ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten der Art. 43 (Niederlassungsfreiheit), Art. 49 (Dienstleistungsfreiheit) und Art. 56 EG (Kapitalverkehrsfreiheit) auf der Hand. Eine Rechtfertigung ist nicht ersichtlich, da EU-rechtlich ein Auskunftsverkehr entsprechend der EG-Amtshilferichtlinie als ausreichende Amtshilfe anzusehen ist. Da die SteuerHBekV über die EG-Amtshilferichtlinie hinausgeht, ist die Diskriminierung der grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen nicht gerechtfertigt, wäre im Übrigen auch nicht angemessen.
Rz. 19
§ 4 SteuerHBekV verstößt gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie, soweit die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 1 KStG eingeschränkt wird. Auch hier ist eine Rechtfertigung nicht ersichtlich.
Rz. 20
Im Verhältnis zu EU- und EWR-Staaten ist die SteuerHBekV wegen Verstoßes gegen europäisches Recht unanwendbar.