Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen
Rz. 15
Die Körperschaft ist ein eigenständiges Steuerrechtssubjekt, das von dem Anteilseigner zu unterscheiden ist. Dies ist eine systematisch notwendige Folge der zivilrechtlichen Selbstständigkeit der Körperschaft, unabhängig davon, ob sie juristische Person ist oder nicht. Das Steuerrecht folgt insoweit dieser legislatorischen Wertungsentscheidung. Es nimmt die zivilrechtliche Grundentscheidung der Trennung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft von dem Vermögen ihrer Gesellschafter auf. Die Körperschaft ist definiert als eine Person ("Verbandsperson"), die unabhängig von den Gesellschaftern ist und eine von der Vermögenssphäre der Gesellschafter streng getrennte eigene Vermögenssphäre hat ("Trennungsprinzip"). Das Trennungsprinzip ist das Strukturprinzip der Besteuerung von Körperschaften. § 1 KStG zieht hieraus unter Anwendung des Grundsatzes der "Einheit der Rechtsordnung" die Folgerung, dass die Körperschaft auch steuerlich als eigenständiges Rechtssubjekt ("Steuerrechtssubjekt") anerkannt wird. Das bedeutet, dass die Besteuerung der Körperschaft grundsätzlich unabhängig von den Verhältnissen der Gesellschafter erfolgt und nur Besteuerungsmerkmale berücksichtigen darf, die durch die Körperschaft verwirklicht worden sind. Entsprechend muss die Besteuerung der Anteilseigner unabhängig von den auf der Ebene der Körperschaft verwirklichten Besteuerungsmerkmalen erfolgen. Sie darf nur Besteuerungsgrundlagen berücksichtigen, die auf der Ebene der Anteilseigner verwirklicht und ihnen zuzurechnen sind. Durchbrechungen des Trennungsprinzips kommen grundsätzlich nicht in Betracht. Sie bedürfen einer Rechtfertigung. Das BVerfG sieht die Typisierung eines quotalen Anteilseignerwechsels i. H. v. 25 % bis 50 % mit der Rechtsfolge des quotalen Verlustuntergangs bei der Körperschaft als willkürlich an und hat darum § 8c Abs. 1 S. 1 KStG als mit der Verfassung unvereinbar eingestuft.
Rz. 16
Die Einkommensverwendung besteht bei der Körperschaft aus der Verwendung der Vermögensmehrung für eigene betriebliche Zwecke (Thesaurierung) und der Übertragung dieses Vermögens auf den Anteilseigner (vgl. Rz. 12). Da das subjektive Nettoprinzip für Körperschaften nicht gilt, kann sich aus der Sphäre der Einkommensverwendung keine Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergeben. Das bedeutet, dass die Einkommensverwendung keine Auswirkungen auf die steuerliche Belastung der Körperschaft hat. Dies spricht § 8 Abs. 3 S. 1 KStG ausdrücklich aus; die Einkommensverwendung (sei sie Thesaurierung, sei sie Vermögensübertragung auf den Anteilseigner) mindert die Leistungsfähigkeit und damit das steuerpflichtige Einkommen nicht (zu diesen Zusammenhängen vgl. Anhang vGA zu § 8 KStG Rz. 7ff.). Insoweit ist die verdeckte Gewinnausschüttung ein Korrektiv zum Trennungsprinzip, nach dem die Leistungsbeziehungen zwischen der Körperschaft und dem Anteilseigner grundsätzlich anzuerkennen sind.
Rz. 17
Für die Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens hat daher die Feststellung der Vermögensübertragungen auf den Anteilseigner, wie auch die der Vermögenszugänge vom Anteilseigner (Einlage) besondere Bedeutung. Das Einkommen darf durch diese Vermögensverschiebungen zwischen der Sphäre der Körperschaft und der Sphäre des Anteilseigners nicht beeinflusst werden. Daraus folgt die Notwendigkeit der Erfassung von Vermögensübertragungen der Körperschaft auf den Gesellschafter (offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, Zahlungen auf beteiligungsähnliche Genussscheine, Liquidation) und von Vermögensübertragungen vom Gesellschafter auf die Körperschaft (offene und verdeckte Einlagen).