Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen
Rz. 57
Das Körperschaftsteuersystem kann erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Belastung des Eigenkapitals verglichen mit dem für (Gesellschafter-)Fremdkapital haben. Nimmt eine Kapitalgesellschaft Fremdkapital auf, kann sie die Zinsen als Betriebsausgaben absetzen. Nur beim Gläubiger werden die Zinsen als Einkommensbestandteil versteuert. Zu berücksichtigen sind allerdings auch gewerbesteuerliche Effekte. Sind die Zinsen Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG, unterliegen sie durch die Hinzurechnung aus der Sicht der die Zinsen schuldenden Körperschaft bei ihr nur mit der Hälfte der GewSt. Dadurch ist die Gewerbesteuerbelastung der Zinsen um die Hälfte geringer als die des ausgeschütteten Gewinns. Wenn allerdings der Anteilseigner selbst der GewSt unterliegt, sind die Zinsen aus der Gesellschafter-Fremdfinanzierung mit einer 1,5-fachen GewSt belastet.
Rz. 58
Unter einem klassischen System mit hoher Doppelbelastung wird daher tendenziell die Finanzierung durch Eigenkapital gegenüber der Finanzierung durch Gesellschafter-Fremdkapital benachteiligt. Sollen Anteilseigner und Kreditgeber eine Verzinsung ihres Kapitals in gleicher Höhe erhalten, so muss die Gesellschaft zur Verzinsung des Eigenkapitals einen höheren Betrag erwirtschaften. Die steuerliche Mehrbelastung der Eigenfinanzierung wirkt sich nachteilig auf die Kapitalstruktur der Kapitalgesellschaften aus, weil verstärkte Fremdfinanzierung (einschließlich Gesellschafter-Fremdfinanzierung) der Erhöhung ihres haftenden Kapitals vorgezogen wird.
Rz. 59
Auch unter dem Anrechnungsverfahren bestand dieser Effekt, allerdings nur für nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner, insbesondere Körperschaften des öffentlichen Rechts, unbeschränkt steuerpflichtige, von der KSt befreite juristische Personen und ausländische Anteilseigner. Für diesen Personenkreis blieb die KSt in Höhe der Ausschüttungsbelastung und des daneben erhobenen inländischen Steuerabzugs vom Kapitalertrag auch nach Einführung des Anrechnungsverfahrens ein definitiver Belastungsfaktor. Fremdkapitalzinsen wurden dagegen nur als Dauerschulden und auch dann nur mit der Hälfte mit GewSt im Inland belastet.
Rz. 60
Um bei diesem Personenkreis einer Flucht aus der inländischen KSt durch erhöhte Fremdkapitalfinanzierung vorzubeugen, werden nach § 8a KStG bestimmte Vergütungen an Fremdkapitalgeber nicht zum sofortigen Abzug zugelassen, wobei besonders strenge Regeln für Gesellschafter-Fremdkapital gelten.
Rz. 61
Im Grundsatz tritt dieser Effekt der Bevorzugung des Fremdkapitals zulasten des Eigenkapitals auch bei dem Teileinkünfteverfahren ein. Unverändert geblieben sind die gewerbesteuerlichen Effekte.
Rz. 62
Da jedoch die Doppelbelastung durch Ansatz nur der 60 %igen Bemessungsgrundlage bei der Gewinnausschüttung gemindert ist, dies bei Zinseinkommen jedoch nicht gilt, andererseits Effekte durch die Zinsschranke, § 4h EStG, § 8a KStG, eintreten können, lässt sich eine allgemeingültige Aussage über die Vorteilhaftigkeit der einen oder anderen Finanzierungsform nicht machen. Vielmehr ist jeweils für den infrage stehenden Fall ein Vergleich anzustellen.
Belastungsrechnungen für Gesellschafter-Fremdfinanzierung (Zinsschranke, § 4h EStG, § 8a KStG, nicht berücksichtigt):
Inländischer Gesellschafter, nicht gewerbesteuerpflichtig
|
Eigenkapital |
Fremdkapital |
Körperschaft |
|
|
Gewinn vor Zinsen und Steuern |
100,00 |
100,00 |
Zinsen |
0,00 |
– 90,00 |
Hinzurechnung Schuldzinsen (über FB 100.000) |
0,00 |
+ 22,50 |
GewSt-Bemessungsgrundlage |
100,00 |
32,50 |
GewSt (Annahme: 15 %; nicht abzugsfähig) |
15,00 |
4,88 |
KSt-Bemessungsgrundlage |
100,00 |
10,00 |
KSt (15 %, ohne SolZ) |
15,00 |
1,50 |
Steuer insgesamt |
30,00 |
6,38 |
Anteilseigner |
|
|
Dividende |
70,00 |
10,00 |
Bemessungsgrundlage für ESt (BV, 60 %) |
42,00 |
6,00 |
ESt Dividende (Steuersatz 40 %) |
16,80 |
2,40 |
Zinsen |
|
90,00 |
Bemessungsgrundlage |
|
36,00 |
ESt Zinsen (Steuersatz 40 %) Gesamtsteuerbelastung |
|
|
Körperschaft |
30,00 |
6,38 |
Gesellschafter |
16,80 |
38,40 |
Summe |
46,80 |
44,78 |
Inländischer Gesellschafter, gewerbesteuerpflichtig
|
Eigenkapital |
Fremdkapital |
Körperschaft |
|
|
Gewinn vor Zinsen und Steuern |
100,00 |
100,00 |
Zinsen |
0,00 |
– 90,00 |
Hinzurechnung Schuldzinsen (über FB 100.000) |
0,00 |
+ 22,50 |
GewSt (Annahme: 15 %) |
15,00 |
4,88 |
KSt-Bemessungsgrundlage |
100,00 |
10,00 |
KSt (15 %, ohne SolZ) |
15,00 |
1,50 |
Steuer insgesamt |
30,00 |
6,38 |
Anteilseigner |
|
|
Dividende |
70,00 |
10,00 |
Bemessungsgrundlage für GewSt (Annahme: Kürzung) |
0,00 |
0,00 |
GewSt (Annahme: 15 %) |
0,00 |
0,00 |
Bemessungsgrundlage für ESt (BV, 60 %) |
42,00 |
6,00 |
ESt Dividende (40 %) |
16,80 |
2,40 |
GewSt Zinsen (Annahme: 15 %) |
0,00 |
13,50 |
ESt Zinsen (40 %) |
0,00 |
36,00 |
Steuerermäßigung § 35 EStG (Messbetrag Zinsen: 3,15) |
0,00 |
– 11,97 |
Ermäßigung 3,8 × Messbetrag ESt nach Ermäßigung |
16,80 |
24,03 |
Gesamtsteuerbelastung |
|
|
Körperschaft |
30,00 |
6,38 |
Gesellschafter – GewSt |
0,00 |
13,50 |
Gesellschafter – ESt |
16,80 |
24,03 |
Summe |
46,80 |
43,91 |
Ausländischer Gesellschafter (Drittstaaten-Kapitalgesellschaft)
|
Eigenkapital |
Fremdkapital |
Körperschaft |
|
|
Gewinn vor Zinsen und Steuern |
100,00 |
100,00 |
Zinsen |
0,00 |
– 9... |