Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Elisabeth Wöhrle
2.3.1 Steuerpflicht und Steuerneutralität
Rz. 55
Ein Umwandlungsvorgang wirkt regelmäßig gewinnrealisierend. Im nationalen Bereich verwirklicht er den Gewinnrealisierungstatbestand der Veräußerung bzw. des veräußerungsähnlichen Vorgangs oder der Einlage, bei grenzüberschreitenden Vorgängen (auch) die Entstrickungstatbestände des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG. Ist bei einer Verschmelzung z. B. der übertragende Rechtsträger nicht an dem übernehmenden Rechtsträger beteiligt (Seitwärtsverschmelzung, Abwärtsverschmelzung oder Verschmelzung zwischen nicht verbundenen Unternehmen), erbringt der übertragende Rechtsträger eine Leistung, während die Gegenleistung, die Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger, in das Vermögen der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers übergehen. Entsprechendes gilt für Spaltungsfälle mit Ausnahme der Ausgliederung. Dies sind typische Konstellationen für verdeckte Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften bzw. für Entnahmen bei Personengesellschaften als übertragenden Rechtsträgern. Beides würde gewinnrealisierend wirken. Daher würde ein Umwandlungsvorgang zur Aufdeckung stiller Reserven führen, ohne dass ein besonderer Gewinnrealisierungstatbestand im UmwStG erforderlich wäre. In Übereinstimmung hiermit, aber auch zur Vermeidung von Zweifelsfragen sowie zur Festlegung des Bewertungsmaßstabs, fordert das UmwStG, dass der Umwandlungsvorgang regelmäßig zum gemeinen Wert, also unter Gewinnrealisierung, abzuwickeln ist.
Rz. 56
Anknüpfend hieran gewährt das UmwStG dem Stpfl. regelmäßig das Wahlrecht, die Umwandlung zum Buchwert oder einem höheren Wert (Zwischenwert), höchstens aber dem gemeinen Wert abzuwickeln. Dadurch kann eine Gewinnrealisierung vollständig oder teilweise vermieden werden. Die Umwandlungsvorgänge sind dadurch nicht mit prohibitiven Ertragsteuerbelastungen verknüpft.
Rz. 57
Bei der Frage nach der Steuerneutralität der Umwandlung sind 3 Ebenen zu unterscheiden, auf denen sich Gewinnrealisierungen und damit steuerliche Belastungen ergeben können. Dies sind die Ebene des übertragenden Rechtsträgers, die Ebene des übernehmenden Rechtsträgers und die Ebene der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers, bei einer Umwandlung in eine Personengesellschaft auch die Ebene der Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers.
Rz. 58
Die Vermeidung der Gewinnrealisierung ist steuerpolitisch nur tragbar, wenn dadurch keine endgültigen Steuervorteile entstehen; die spätere Versteuerung der stillen Reserven muss sichergestellt sein. Das UmwStG sichert dies durch die Fortführung der Buchwerte und die Voraussetzung, dass die spätere Versteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Das gilt auch für die grenzüberschreitende Umwandlung; auch hierbei darf das in Deutschland steuerlich gebundene Steuersubstrat nicht vermindert werden. Die Umwandlung ermöglicht daher nur eine Fortführung des bisherigen unternehmerischen Engagements in anderer Rechtsform, nicht aber das endgültige steuerfreie Ausscheiden aus der steuerlichen Verstrickung.
2.3.2 Bewertungsmaßstäbe
Rz. 59
Das UmwStG wendet bei allen Umwandlungsformen einheitlich 3 verschiedene Bewertungsmaßstäbe an. Der nach der Systematik des Gesetzes regelmäßige Bewertungsmaßstab ist der gemeine Wert. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, für Umwandlungen an die Stelle des sonst im Unternehmenssteuerrecht vorherrschenden Bewertungsmaßstabs des Teilwerts den des gemeinen Werts zu setzen. Damit soll im Fall der Aufdeckung der stillen Reserven, insbesondere bei Umlaufvermögen, die Erfassung eines Gewinnaufschlags sichergestellt werden. Dies korrespondiert mit der Regelung für die Entstrickungstatbestände des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG bzw. des § 12 Abs. 1 KStG, die ebenfalls zum gemeinen Wert erfolgen.
Rz. 60
Das UmwStG enthält keine Definition des gemeinen Werts. Es ist deshalb auf die allgemeine Definition in § 9 Abs. 2 BewG zurückzugreifen. Gemeiner Wert ist damit der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Einzelveräußerungspreis ohne Berücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse.
Rz. 60a
Auf Antrag ist der Umwandlung der Buchwert zugrunde zu legen. Der Buchwert ist in § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG definiert (s. Rz. 160).
Rz. 60b
Schließlich kann der Umwandlung als weiterer Bewertungsmaßstab auch ein Wert zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert zugrunde gelegt werden (Zwischenwert). Der Stpfl. kann jeden Wert zwischen diesen beiden Eckpunkten wählen; er darf den Buchwert aber nicht unterschreiten (er muss dann vor der Umwandlung bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Teilwertabschreibung vornehmen) und nicht den gemeinen Wert überschreiten.
Rz. 60c
Bei der Wahl der Bewertungsmaßstäbe besteht Wertverknüpfung zwischen der Übertragungs- und der Übernahmebilanz, und zwar unabhängig, ob die gemeinen Werte, die Buchwerte ...