Rz. 56
Unabhängig vom Fortbestand eines Besteuerungsrechts (Rz. 42ff.) sieht Art. 8 Abs. 1 FRL für grenzüberschreitende Verschmelzungen von EU-ausl. Körperschaften, die in Anhang I Teil A der FRL gelistet sind, generell Steuerneutralität auf Anteilseignerebene vor. In diesem Anwendungsbereich erweitert § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG die Möglichkeit der Buchwert- bzw. Anschaffungskostenfortführung. Dafür besteuert Deutschland den Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft ungeachtet eines DBA in der gleichen Weise, wie eine Veräußerung der untergehenden Anteile zu besteuern wäre (§ 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 2 UmwStG, weiter Rz. 59). Dieser "treaty override" entspricht Art. 8 Abs. 6 FRL. Erlaubt ist die Besteuerung barer Zuzahlungen (Art. 8 Abs. 9 FRL).
Rz. 57
Art. 8 FRL (und damit auch § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG) ist nicht anwendbar, wenn übertragende und übernehmende Körperschaft im selben EU-Staat (steuerlich) ansässig sind (Art. 1 Buchst. a, Art. 3 Buchst. b FRL) oder zumindest eine von ihnen EWR-ansässig ist.
Rz. 58
Erfasst werden insbes. Hinausverschmelzungen auf EU-ausl. Körperschaften unter Anwendung von DBA, die das Besteuerungsrecht abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA schon im Grundsatz dem Gesellschafts-Ansässigkeitsstaat zuweisen (derzeit Bulgarien, Tschechien und Slowakei), d. h. bei entsprechendem ausl. Anteilseigner der inl. übertragenden Körperschaft oder inl. Anteilseigner der entsprechenden ausl. übernehmenden Körperschaft (s. a. Rz. 48). Daneben sind z. B. Veränderungen des Besteuerungsrechts wegen einer Qualifikation als "Grundstücksgesellschaft" zu beachten (s. a. Rz. 44; entsprechende Regelungen derzeit im DBA mit Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden und Zypern).
Rz. 59
Die für die spätere Versteuerung eines Veräußerungsgewinns notwendige weitere inl. Steuerverstrickung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft ergibt sich beim inl. Anteilseigner aus ihrer unbeschränkten ESt- bzw. KSt-Pflicht, beim ausl. Anteilseigner durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG.
Nicht geklärt ist, ob der gesamte Gewinn besteuert wird oder nur der Teil, der bis zum Verschmelzungszeitpunkt (Rz. 20) entstanden ist. Zwar sprechen Wortlaut von Art. 8 Abs. 6 FRL und § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 2 UmwStG für die erstgenannte Auffassung. Deren Rechtsfolge ist m. E. aber überschießend und damit nicht sachgerecht, da Wertveränderungen, die außerhalb der deutschen Steuerhoheit entstanden sind, in Deutschland steuerverstrickt blieben. Damit einhergehend droht insoweit eine Doppelbesteuerung.
Daher sollte sicherheitshalber der gemeine Wert der Anteile zum Verschmelzungszeitpunkt dokumentiert werden.
Rz. 60 einstweilen frei
Rz. 61
Nach § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 2 UmwStG gilt § 15 Abs. 1a S. 2 EStG entsprechend, d. h. Deutschland behält auch das Besteuerungsrecht für eine spätere (i) verdeckte Einlage, (ii) Auflösung der übernehmenden Körperschaft, (iii) Kapitalherabsetzung mit Auszahlung und (iv) (nach § 27 Abs. 8 KStG festzustellende) Auskehr von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto (soweit der Auskehrbetrag den Buchwert bzw. die Anschaffungskosten übersteigt).