Elisabeth Wöhrle, Dr. Magnus Bleifeld
1.1 Systematische Stellung
Rz. 1
Die Spaltung ist ein Rechtsinstitut aus dem Bereich der Umstrukturierung korporativer Verbände (Personengesellschaften und Körperschaften). Wirtschaftlich stellt die Spaltung das Gegenstück zur Verschmelzung dar. Während bei der Verschmelzung zwei oder mehr Rechtsträger zu einem einzigen Rechtsträger zusammengefasst werden, wird bei der Spaltung ein einheitlicher Rechtsträger auf zwei oder mehr Rechtsträger aufgespalten. Die Verschmelzung ist also ein Institut zur Reduzierung von Rechtsträgern und damit zur Straffung von Unternehmensstrukturen, während die Spaltung ein Institut zur Auffächerung von Unternehmensstrukturen ist (z. B. zum Zwecke der Trennung von Geschäftsbereichen).
Rz. 2
Strukturell ist die Aufspaltung der Verschmelzung ähnlich, weil auch bei der Aufspaltung (i) Vermögen auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird, (ii) der übertragende Rechtsträger ohne Abwicklung untergeht und (iii) die neuen Anteile am übernehmenden Rechtsträger an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers gewährt werden. Bei der Abspaltung sind die strukturellen Ähnlichkeiten zur Verschmelzung geringer, weil der übertragende Rechtsträger nicht untergeht. Die Ausgliederung ist zur Verschmelzung gänzlich wesensverschieden, weil bei ihr nicht nur der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt, sondern die neuen Anteile am übernehmenden Rechtsträger auch an den übertragenden Rechtsträger und nicht dessen Anteilseigner gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Auf- und Abspaltung grundsätzlich den Regelungen zur Verschmelzung unterstellt, die Ausgliederung aber denen zur Einbringung.
Rz. 3
§ 15 UmwStG ist in Beziehung zur Fusionsrichtlinie zu sehen. Soweit § 15 UmwStG die Fusionsrichtlinie umsetzt, sind die in § 15 UmwStG verwendeten Begriffe in Übereinstimmung mit der Fusionsrichtlinie auszulegen.
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (EU) 2019/2121 (UmRUG) vom 22.2.2023 wurden die §§ 320 bis 332 in das UmwG aufgenommen, die mWv 1.3.2023 bestimmte grenzüberschreitende Spaltungen von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften erlauben. Eine grenzüberschreitende Spaltung liegt nach § 320 Abs. 1 UmwG vor, wenn mindestens einer der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger dem Recht eines anderen EU-/EWR-Staates unterliegt. Grenzüberschreitende Spaltungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten (Nicht EU-/EWR-Raum) bleiben danach ausgeschlossen.
§ 321 UmwG bestimmt die spaltungsfähigen Rechtsträger grenzüberschreitender Spaltungen. Nach S. 1 können Beteiligte einer grenzüberschreitenden Spaltung ausschließlich Kapitalgesellschaften gem. Anhang II der Richtlinie (EU) 2017/1132 sein. Als beteiligte Rechtsträger deutschen Rechts kommen danach nur die AG, die KGaA und die GmbH, einschließlich der UG (haftungsbeschränkt), in Betracht.
Nicht in Anhang II der Richtlinie (EU) 2017/1132 erwähnt wird die SE. Aufgrund ihrer Gleichstellung mit der AG wird davon ausgegangen, dass auch die SE als spaltungsfähiger Rechtsträger an grenzüberschreitenden Spaltungen beteiligt sein kann.
Bislang hatte sich die gesellschaftsrechtliche Praxis i. d. R. damit beholfen, den relevanten Teilbetrieb in einem rein nationalen Vorgang abzuspalten oder auszugliedern und anschließend den übernehmenden Rechtsträger grenzüberschreitend zu verschmelzen.
Keine Verpflichtung zur Anwendung der Fusionsrichtlinie besteht dagegen für rein nationale Spaltungen und Spaltungen, an denen eine deutsche und mindestens eine Drittstaatsgesellschaft beteiligt ist (wobei solche Spaltungen gesellschaftsrechtlich gegenwärtig nicht möglich sind). Indes hat der Gesetzgeber für alle Spaltungen eine einheitliche Regelung vorgesehen, die auf der Fusionsrichtlinie beruht. In der Folge müssen die Regelungen des § 15 UmwStG auch bei Anwendung auf nationale Spaltungen der Richtlinie entsprechen. § 15 UmwStG ist daher für alle Spaltungen nach den Regeln der Fusionsrichtlinie auszulegen. Dies eröffnet auch die Zuständigkeit des EuGH. Treten in Inlandsfällen Auslegungsfragen auf, ist für deren Beantwortung aufgrund der Anwendung europäischer Rechtsnormen ausschließlich der EuGH zuständig.
Rz. 4 einstweilen frei
Rz. 5
Das hat insbesondere für den Teilbetriebsbegriff (Rz. 78) und die Missbrauchsregelungen in § 15 Abs. 2 S. 2–4 UmwStG (Rz. 162ff.) Bedeutung. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass der deutsche Gesetzgeber für den Stpfl. günstigere Regelungen als die der Fusionsrichtlinie schaffen kann. Die Fusionsrichtlinie bestimmt nur, dass eine Spaltung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen steuerneutral sein muss. In Art. 15 bestimmt die Fusionsrichtlinie, dass bei bestimmten als missbräuchlich eingestuften Sachverhalten der nationale Gesetzgeber die Steuerfreiheit versagen "kann". Sie bestimmt also nicht, dass eine Besteuerung erfolgen "muss", wenn Missbrauch vorliegt. Insoweit ist der Gesetzgeber durch die Fusionsrichtlinie nicht gebunden. Allerdings darf er von Art. 15 der Richtlinie nur zugunsten des Stpfl. abweichen; er darf keine str...