Prof. Dr. Gerrit Frotscher
3.1.2.1 Sicherstellung der Steuerverstrickung der stillen Reserven
Rz. 26
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ist der Buchwertansatz nur zulässig, wenn sichergestellt ist, dass die auf die übernehmende Körperschaft übertragenen stillen Reserven weiterhin der Steuerverstrickung unterliegen. Die im Gesetz verwendete Formulierung „sichergestellt, dass die … stillen Reserven der Körperschaftsteuer unterliegen” bedeutet nicht, dass sichergestellt sein muss, dass später auch tatsächlich Körperschaftsteuer entsteht. Sichergestellt sein muss nur die Steuerbarkeit etwaiger späterer Veräußerungsgewinne; tatsächliche Steuerfreiheit, z. B. auf Grund von Verlustvorträgen, schadet nicht.
Rz. 27
Für die überwiegende Zahl der Fälle sorgt das Gesetz bereits selbst dafür, dass die Versteuerung der stillen Reserven bei der Übernehmerin sichergestellt ist. Nach § 12 Abs. 1 gilt für die Bilanzierung der im Wege der Verschmelzung oder des Vermögensübergangs übergegangenen Wirtschaftsgüter § 4 Abs. 1 entsprechend. Danach ist die übernehmende Körperschaft an den Bilanzansatz in der Übertragungsbilanz gebunden, hat also bei Buchwertansatz die Buchwerte fortzuführen. Dies stellt sicher, dass die Übernehmerin bei einer späteren Veräußerung der Wirtschaftsgüter einen Veräußerungsgewinn ausweist, also eine Besteuerung erfolgen kann. Erfolgt die Verschmelzung auf eine unbeschränkt steuerpflichtige, nicht steuerbefreite Kapitalgesellschaft oder sonstige Körperschaft, ist somit die Versteuerung der stillen Reserven grundsätzlich sichergestellt.
Rz. 28
Die Vorschrift besagt allerdings nur, dass sichergestellt sein muss, dass eine im Zeitpunkt der Verschmelzung bei der übertragenden Körperschaft bestehende Steuerverstrickung bei der übernehmenden Körperschaft fortbesteht. Es ist also nicht erforderlich, dass für Wirtschaftsgüter, die bei der übertragenden Körperschaft nicht steuerverstrickt sind, durch die Verschmelzung bei der übernehmenden Körperschaft eine Steuerverstrickung eintritt. Eine bei der übertragenden Körperschaft bestehende Steuerbefreiung bleibt also bestehen. Das betrifft insbesondere Anteile an Kapitalgesellschaften, die nach § 8b Abs. 2 KStG nicht steuerverstrickt sind. Die Buchwertfortführung wird also nicht dadurch gehindert, dass in dem übertragenen Vermögen Anteile an Kapitalgesellschaften vorhanden sind, die bei der übernehmenden Körperschaft (wie auch schon bei der übertragenden Körperschaft) steuerlich nicht erfasst werden.
Entsprechendes gilt auch für andere Fälle. Unterliegen die Wirtschaftsgüter bei der übertragenden Körperschaft einer persönlichen Steuerbefreiung, können sie auch bei der übernehmenden Körperschaft steuerbefreit sein. Unterlagen die Wirtschaftsgüter bei der übertragenden Körperschaft nicht der deutschen Besteuerung, weil sie eine Betriebsstätte in einem Staat bilden, mit dem ein DBA besteht, können sie auch beim Buchwertansatz von der deutschen Besteuerungshoheit ausgenommen bleiben.
Rz. 29
Dagegen ist die Besteuerung der stillen Reserven nicht sichergestellt, wenn das im Ausland belegene Wirtschaftsgut bei der übertragenden Körperschaft der deutschen Besteuerung unterlag (weil es z. B. nicht zu einer ausländischen Betriebsstätte gehörte, die von der deutschen Besteuerung ausgenommen war), es bei der übernehmenden Körperschaft aber aus der deutschen Besteuerung ausscheidet (z. B. weil es jetzt zu einer ausländischen Betriebsstätte der übernehmenden Körperschaft gehört, für die nach dem einschlägigen DBA das deutsche Besteuerungsrecht nicht besteht). In diesem Fall sind die stillen Reserven in dem ausländischen Wirtschaftsgut aufzudecken und zu versteuern. Die Steuerfreiheit des Verschmelzungsvorgangs wird dadurch im Übrigen nicht berührt (arg. „soweit” in § 11 Abs. 1).
Rz. 30
Ist die Übernehmerin, nicht aber die übertragende Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, setzt der Buchwertansatz bei der übertragenden Körperschaft voraus, dass das übertragene Vermögen bei der Übernehmerin einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bildet bzw. zu einem solchen gehört. In diesem Fall bleibt das übertragene Vermögen steuerverstrickt, die spätere Versteuerung der stillen Reserven ist sichergestellt. Entsprechendes gilt bei der Vermögensübertragung von einer Kapitalgesellschaft auf eine Gebietskörperschaft. In diesen Fällen ist der Buchwertansatz nur zulässig, wenn das übergehende Vermögen bei der Gebietskörperschaft einen steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art bildet oder zu einem solchen gehört.
Rz. 31
Sichergestellt bleibt die Besteuerung der stillen Reserven auch dann, wenn die übertragende Körperschaft Anteile an der übernehmenden Körperschaft hält, die im Zuge der Verschmelzung auf die übernehmende Körperschaft übergehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Anteile nach § 8b Abs. 2 KStG nicht steuerverstrickt sind, daher keine stillen Reserven der Besteuerung entzogen werden. Dies gilt aber auch, wenn die Anteile ausnahmsweise steuerverstrickt sind, z. B. nach § 8b Abs. 4 KStG. Dies ermöglicht die steuerneutrale Ausführung des „downstream mer...