Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 50
Liegen die Voraussetzungen für das Wahlrecht zur Vermeidung eines Übertragungsgewinns nicht vor, weil die Versteuerung der stillen Reserven nicht sichergestellt ist oder eine Gegenleistung gewährt wird, die nicht in Anteilen an der übernehmenden Körperschaft besteht, sind die stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern aufzudecken.
Rz. 51
Sind die stillen Reserven aufzulösen, erfolgt der Ansatz in der Steuerbilanz der Übernehmerin grundsätzlich mit dem Wert der Gegenleistung. Gegenleistung sind die im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile an der übernehmenden Körperschaft zuzüglich einer anderen Gegenleistung in Geld oder Geldeswert (Spitzenausgleich). Die Bewertung in der Steuerbilanz der übertragenden Körperschaft erfolgt daher regelmäßig auf Grund einer Gegenleistung, die nicht der übertragenden Körperschaft, sondern ihren Gesellschaftern gewährt wird. Die stillen Reserven sind in allen Wirtschaftsgütern der übertragenden Körperschaft aufzulösen.
An sich sind auch ein selbstgeschaffener Firmenwert oder andere originäre immaterielle Rechte anzusetzen, da eine Gegenleistung gezahlt, der Marktwert dieser Wirtschaftsgüter also realisiert wird. Die Finanzverwaltung lässt aber nur zu, selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich eines Geschäfts- oder Firmenwertes erst dann zu berücksichtigen, wenn die übrigen Wirtschaftsgüter auf Grund der Gegenleistung bis zu den Teilwerten aufgestockt worden sind, damit die Gegenleistung aber noch nicht voll abgedeckt ist.
Rz. 52
Stichtag für die Bewertung ist der Stichtag der steuerlichen Verschmelzungsbilanz, in der die stillen Reserven aufgelöst werden. Zum Zweck der Aufstellung der Verschmelzungsbilanz der übertragenden Körperschaft ist die Gegenleistung zu bewerten. Bewertungsmaßstab ist der gemeine Wert, nicht der Teilwert, da die Gegenleistung nicht Teil des Vermögens der übertragenden Körperschaft wird.
Abfindungen in Geld sind mit dem Nennbetrag zu bewerten. Für Renten und dauernde Lasten gelten die Regeln der §§ 13, 14 BewG. Als Gegenleistung erhaltene Anteile an Kapitalgesellschaften, insbesondere Anteile an der übernehmenden Körperschaft, sind mit dem Kurswert zu bewerten; fehlt ein solcher, ist nach dem Stuttgarter Verfahren zu bewerten.
Rz. 53
Wird eine Gegenleistung nicht gewährt, gelten für die Bewertung die Teilwerte des übergehenden Vermögens. Dies gilt auch, soweit nur teilweise eine Gegenleistung gewährt wird. Keine Gegenleistung wird in den Fällen gewährt, in denen die übertragende Körperschaft Alleingesellschafter der übernehmenden Körperschaft ist. Teilweise keine Gegenleistung wird gewährt, soweit die übernehmende Körperschaft Gesellschafterin der übertragenden Körperschaft ist.
Rz. 54
Wird keine Gegenleistung gewährt, sind auch selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich eines originären Firmenwertes anzusetzen und zu bewerten, obwohl mangels einer Gegenleistung keine Realisierung am Markt erfolgt. § 11 Abs. 2 S. 2 enthält eine Abweichung von § 5 Abs. 2 EStG.
Rz. 55
Wird teilweise eine Gegenleistung gewährt, teilweise nicht, erfolgt die Bewertung jeweils teilweise mit dem Wert der Gegenleistung, teilweise mit dem Teilwert. Maßgebend ist, in welchem Verhältnis die Gegenleistung zum Gesamtwert des übergehenden Vermögens steht. Bei dieser Ermittlung der Wertverhältnisse sind auch selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter einzubeziehen, auch wenn sie letztlich (teilweise) mangels einer Gegenleistung nicht angesetzt werden. Beträgt die Gegenleistung etwa 30% des Gesamtwertes des Vermögens, sind alle einzelnen Wirtschaftsgüter zu 70% mit dem Teilwert, zu 30% mit dem Wert der anteiligen Gegenleistung zu bewerten. Ein selbstgeschaffener Firmenwert ist nur aufzudecken, soweit eine Gegenleistung gezahlt wurde, im Beispiel also nur zu 30%.