Prof. Dr. Gerrit Frotscher
4.6.3.1 Rechtslage bis zum 5.8.1997
Rz. 61
Der verbleibende Verlustvortrag der übertragenden Körperschaft kann allerdings nur dann auf die übernehmende Körperschaft übertragen werden, wenn der entsprechende Geschäftsbetrieb ebenfalls übergeht, also nicht in Konstellationen, die dem „Mantelkauf” nach § 8 Abs. 4 KStG entsprechen.
Rz. 62
Für Verschmelzungen, deren Eintragung in das Handelsregister bis zum 5.8.1997 beantragt worden ist, war der Übertrag des Verlustabzugs ausgeschlossen, wenn die übertragende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt der Eintragung des Vermögensübergangs in das Handelsregister bereits eingestellt hatte.
Maßgebend war nur, dass zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister die übertragende Körperschaft (irgend-)einen Geschäftsbetrieb unterhielt, der das übertragende Unternehmen noch als wirtschaftlich aktiv erscheinen ließ. Nicht erforderlich war, dass dieser Geschäftsbetrieb mit dem Betrieb, der die Verluste verursacht hatte, identisch war und einen vergleichbaren Umfang aufwies
Maßgebender Zeitpunkt, zu dem zu beurteilen ist, ob die übertragende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte, ist der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister (nicht: Anmeldung zum Handelsregister). Das bedeutet, dass die übertragende Körperschaft, soll der Verlustvortrag nicht verloren gehen, ihren Geschäftsbetrieb tatsächlich bis zum handelsrechtlichen Wirkungszeitpunkt der Verschmelzung aufrecht erhalten musste. Jede Einstellung des Geschäftsbetriebs der übertragenden Körperschaft vor diesem Zeitpunkt war schädlich.
Rz. 63
Der Begriff der „Einstellung des Geschäftsbetriebs” ist der gleiche wie bei der Regelung über den Mantelkauf in § 8 Abs. 4 KStG. Geschäftsbetrieb ist jede Tätigkeit der übertragenden Körperschaft, einschließlich der Vermögensverwaltung und des Haltens von Beteiligungen (Holdinggesellschaft). Soweit das BMF (v. 25.3.1998, IV B 7 — S 1978 — 21/98 / IV B 2 — S 1909 — 33/98, BStBl I 1998, 268, Tz. 12.18) das Vorliegen eines Geschäftsbetriebs verneint, wenn nur eine Beteiligung gehalten wurde (und die Übertragung des Verlustes damit de facto ausschließt), ist dem nicht zu folgen; die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft, unabhängig von deren Umfang, ist immer ein Geschäftsbetrieb i. S. d. § 12 Abs. 3.
Rz. 64
Der Geschäftsbetrieb der übertragenden Körperschaft ist eingestellt, wenn sie nicht mehr werbend tätig ist. Bloße Abwicklungsmaßnahmen, wie das Einziehen von Forderungen und Begleichen von Verbindlichkeiten, hindern die vollständige Einstellung der werbenden Tätigkeit nicht. Gleiches gilt dann, wenn sich die Tätigkeit des Unternehmens darauf beschränkt, mit Hilfe von Subunternehmern oder unter Einsatz ausgeliehener oder nur formal beschäftigter Arbeitnehmer Gewährleistungsverpflichtungen aus früher bearbeiteten Aufträgen zu erfüllen. Wurde der Geschäftsbetrieb nur verkleinert, aber in vermindertem Umfang fortgeführt, lag keine vollständige Einstellung der werbenden Tätigkeit vor, der verbleibende Verlustabzug ging also auf die übernehmende Körperschaft über (vgl. im Einzelnen § 8 KStG Rz. 191). Andererseits hinderte eine im Vergleich zur ursprünglichen werbenden Tätigkeit unbedeutende Tätigkeit das Einstellen des Geschäftsbetriebs nicht. Auch die Einstellung der werbenden Tätigkeit und die Aufnahme einer anderen werbenden Tätigkeit kann, wie bei § 8 Abs. 4 KStG, eine Einstellung des Geschäftsbetriebs sein.
Rz. 64a
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Geschäftsbetrieb eingestellt worden ist, ist der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister. Das bedeutet, dass die übertragende Körperschaft den Geschäftsbetrieb auch im Zeitraum zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Eintragung in das Handelsregister fortgeführt haben muss. Wird der Geschäftsbetrieb während dieses Zeitraums schon von der übernehmenden Körperschaft fortgeführt, muss dies auf Rechnung der übertragenden Körperschaft geschehen Andernfalls hat die übertragende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb schon vor dem maßgeblichen Stichtag übertragen, also zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister schon aufgegeben.
4.6.3.2 Rechtslage nach dem 5.8.1997
Rz. 65
§ 12 ist durch Gesetz v. 29.10.1997 für Verschmelzungen, deren Eintragung in das Handelsregister nach dem 5.8.1997 beantragt wurde, verschärft worden Die Übertragung des verbleibenden Verlustvortrags ist dabei von der Fortführung des Betriebs oder Betriebsteils, der den Verlust erl...