Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 52
Die Steuerneutralität der Spaltung wird gewährt, um eine Restrukturierung von Unternehmen und Unternehmensverbänden zu ermöglichen. Aus diesem Regelungszweck heraus ist die Spaltung zur Trennung von Gesellschafterstämmen untypisch. Die Spaltung dient hier nicht der Restrukturierung eines Unternehmens, sondern der Aufteilung in mehrere Unternehmen. Das Gesetz macht daher die Spaltung von weiteren zeitlichen Voraussetzungen abhängig.
Eine Spaltung zum Zweck der Trennung von Gesellschafterstämmen liegt vor, wenn nicht alle Gesellschafter der übertragenden Körperschaft nach der Spaltung anteilig an allen Gesellschaften beteiligt sind; vielmehr sind in diesem Fall an jeder der neu entstandenen Gesellschaften jeweils nur einige der Gesellschafter der übertragenden Körperschaft beteiligt ("nicht-verhältniswahrende Spaltung"). Der Begriff "Gesellschafterstämme" ist weit auszulegen; der Tatbestand liegt bereits vor, wenn nach der Spaltung nicht mehr alle Gesellschafter an allen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften beteiligt sind. Ein "Gesellschafterstamm" setzt daher nicht eine Mehrheit von Personen voraus; auch ein einzelner Gesellschafter kann einen "Gesellschafterstamm" bilden. Es ist auch ohne Bedeutung, ob der oder die Gesellschafter natürliche oder juristische Personen sind.
Rz. 53
Keine Trennung von Gesellschafterstämmen in diesem Sinne liegt vor, wenn die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft an den neu entstandenen Gesellschaften beteiligt sind, sich die Beteiligungsverhältnisse aber geändert haben.
Vor der Spaltung sind die Gesellschafter A und B zu je 50% an der übertragenden Körperschaft beteiligt. Nach der Aufspaltung sind A zu 75%, B zu 25% an der Nachfolgegesellschaft X, B zu 75%, A zu 25% an der Nachfolgegesellschaft Y beteiligt. Es wird unterstellt, daß beide Nachfolgegesellschaften wertgleich sind.
Es liegt keine Trennung von Gesellschafterstämmen vor; das Gesetz verlangt eine Trennung, eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse genügt nicht.
Rz. 54
In den Fällen der Trennung von Gesellschafterstämmen gelten alle Einschränkungen des Abs. 3 (vgl. Rz. 23ff.); zusätzlich enthält Abs. 3 S. 5 eine weitere Voraussetzung. Danach setzt die Steuerneutralität der Spaltung voraus, daß die Beteiligung an der übertragenden Körperschaft schon mindestens fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag bestanden hat. Diese Bestehensfrist müssen alle Beteiligungen an der übertragenden Körperschaft erfüllen; auch eine Zwergbeteiligung, bei der das nicht der Fall ist, schadet. Die Trennung der Gesellschafterstämme schließt also jeden Erwerb von Anteilen durch einen neu hinzutretenden Anteilseigner innerhalb der Frist aus. Vorbesitzzeiten eines anderen Anteilsinhabers sind auf die 5-Jahres-Frist nicht anzurechnen, wenn eine Übertragung zwischen konzernangehörigen Gesellschaften stattgefunden hat. Ist die Körperschaft durch Umwandlung aus einer Personengesellschaft hervorgegangen, ist bei unverändertem Gesellschafterbestand die Zeit des Bestehens der Beteiligung an der Personengesellschaft aber anzurechnen.
Wird diese Bestehensfrist nicht eingehalten, ist das übertragene Vermögen mit dem Teilwert anzusetzen. Für das bei der Abspaltung bei der übertragenden Körperschaft verbleibende Vermögen bleibt es aber beim Buchwertansatz.
Rz. 55
Nicht klar zu entnehmen ist aus dem Gesetzeswortlaut, ob auch Veränderungen innerhalb der Beteiligungen schaden. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Gesellschafter einen Teil seiner Beteiligung an einen anderen Gesellschafter verkauft. Da die Beteiligungen dann dem Grunde nach bestehen bleiben und nur Verschiebungen in der Höhe stattfinden, erfordert der Gesetzeszweck den Ausschluß der Steuerfreiheit nicht. Veräußerungen und Erwerbe innerhalb des unverändert bleibenden Gesellschafterbestandes schaden also nicht. Das gilt m. E. auch, wenn ein Gesellschafter seine gesamte Beteiligung an einen anderen Gesellschafter veräußert. Es schadet daher nur der Hinzutritt eines Gesellschafters innerhalb der 5-Jahres-Frist, der vorher nicht beteiligt war.