Dr. Hans Joachim Herrmann
9.1 Bedeutung des Bewertungswahlrechts nach § 20 Abs. 2 UmwStG
Rz. 86
Die aufnehmende Kapitalgesellschaft darf das eingebrachte Betriebsvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG mit seinem Buchwert, seinem Teilwert oder einem Zwischenwert ansetzen. Mit der Ausübung ihres Wahlrechts entscheidet die aufnehmende Kapitalgesellschaft nicht nur über ihr künftiges AfA-Volumen, sondern zugleich auch über den Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens in der Schlußbilanz des Einbringenden. Denn der von ihr gewählte Wert gilt nach § 20 Abs. 4 UmwStG für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der ihm gewährten Gesellschaftsanteile.
Rz. 87
Wählt die aufnehmende Kapitalgesellschaft den Buchwertansatz, so erlangt sie zwar kein erhöhtes AfA-Volumen, vermeidet aber eine alsbaldige Steuerbelastung des Einbringenden. Die bisher im eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven werden fortan durch die von ihm empfangenen einbringungsgeborenen Anteile i.S. von § 21 UmwStG repräsentiert und sind bei Verwirklichung eines der dort genannten Realisierungstatbestände zu versteuern.
Rz. 88
Wählt die aufnehmende Kapitalgesellschaft den Teilwertansatz, so erhält sie allerdings ein erhöhtes AfA-Volumen. Beim Einbringenden entsteht jedoch ein Veräußerungsgewinn, für den er als natürliche Person nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG i. V. m. § 34 Abs. 1 EStG den ermäßigten Steuertarif und — auch als einbringende Kapitalgesellschaft — die Freibeträge nach § 16 Abs. 4 und § 17 Abs. 3 EStG erhält.
Rz. 89
Bei der Wahl eines Zwischenwertes durch die aufnehmende Kapitalgesellschaft beschränkt sich die Steuervergünstigung für den Einbringenden als natürliche Person auf die Tarifvergünstigung; die vorstehenden Freibeträge sind nicht anwendbar (§ 20 Abs. 5 Sätze 1 und 2 UmwStG). Für die aufnehmende Kapitalgesellschaft kann sich die Wahl eines Zwischenwertes empfehlen, um beim Einbringenden einen noch vorhandenen Verlustvortrag zu nutzen, der im Zuge der Einbringung mangels Personenidentität nicht auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergeht. Ebenso wenig wie ein Verlustvortrag nach § 10d EStG gehen auch verrechenbare Verluste i.S. von § 15a EStG auf die übernehmende Kapitalgesellschaft über, so daß es auch sie noch zu nutzen gilt. Ein Übergang verrechenbarer Verluste kommt nur bei einer unentgeltlichen Übertragung in Betracht, nicht aber bei einer entgeltlichen wie im Falle des Tausches einer Sacheinlage gegen neue Gesellschaftsanteile.
Rz. 90
Die aufnehmende Kapitalgesellschaft hat jeweils ein gesondertes Bewertungswahlrecht, das sie unterschiedlich ausüben kann, wenn mehrere Betriebe, Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder Anteile an Kapitalgesellschaften eingebracht werden. Denn jede Einbringung erfüllt für sich den Tatbestand des § 20 UmwStG. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Einbringungen aufgrund eines einheitlichen Vertrages erfolgen.
Rz. 91
Beispielsweise werden mehrere im Privatvermögen gehaltene GmbH-Anteile von verschiedenen Personen eingelegt. Dann kann es sich empfehlen, die wesentlichen Beteiligungen i.S. von § 17 EStG mit dem Buchwert zur Vermeidung eines Veräußerungsgewinns anzusetzen, die nicht wesentlichen Beteiligungen hingegen mit dem Teilwert zur Vermeidung einbringungsgeborener Anteile i.S. von § 21 UmwStG (vgl. o. V., GmbHR 1998, 276).
9.2 Ausschluß des Bewertungswahlrechts (§ 20 Abs. 3 UmwStG)
Rz. 92
Die aufnehmende Kapitalgesellschaft hat das eingebrachte Betriebsvermögen nach § 20 Abs. 3 UmwStG mit seinem Teilwert anzusetzen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der dem Einbringenden gewährten Gesellschaftsanteile im Zeitpunkt der Sacheinlage ausgeschlossen ist. Bei dieser Sachlage besitzt die aufnehmende Kapitalgesellschaft kein Wahlrecht i.S. von § 10 Abs. 2 UmwStG, sondern muß nach Abs. 3 alle in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven einschließlich des Firmenwerts aufdeken, weil zwar eine spätere Versteuerung der in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven, nicht aber des Gewinns aus der Veräußerung der erworbenen Gesellschaftsanteile sichergestellt ist (zum Prinzip der Verdoppelung der stillen Reserven vgl. Rz. 11).
Rz. 93
Das deutsche Recht, die in den vom Einbringenden empfangenen Gesellschaftsanteile enthaltenen stillen Reserven zu besteuern, ist nicht schon dann stets ausgeschlossenn, wenn der Anteilsinhaber beschränkt steuerpflichtig ist. Zwar ist der Veräußerungsgewinn, der nach § 21 Abs. 1 UmwStG als solcher i.S. von § 16 EStG gilt, nicht bei den inländischen gewerblichen Einkünften in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannt, die inländische Einkünfte i.S. der beschränkten Einkommensteuerpflicht sind. Jedoch kann der Veräußerungsgewinn nach § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG steuerpflichtig sein, wenn die empfangene Beteiligung zu einem inländischen Betriebsvermögen gehört, oder nach Buchstabe e, sofern die einbringungsgeborenen Anteile eine wesentliche Beteiligung i.S....