Dr. Hans Joachim Herrmann
3.1 Das Wahlrecht
Rz. 20
Die übertragende Körperschaft hat nach § 3 Satz 1 UmwStG eine steuerliche Schlussbilanz auf den steuerlichen Übertragungsstichtag (vgl. § 2 Rz. 2ff.) aufzustellen. Sie kann die übergehenden Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz mit dem Buchwert, dem Teilwert oder mit einem Zwischenwert ansetzen. Unter die Buchwerte darf sie in ihrer steuerlichen Schlussbilanz nicht gehen. Um etwaige Wertaufstockungen kenntlich zu machen, empfehlen Widmann/Mayer (§ 3 UmwStG Rz. 46), neben der steuerlichen Schlussbilanz einer weitere Bilanz zu erstellen, in der die Übertragerin anstelle der Buchwerte die Teil- oder Zwischenwerte ausweist.
Rz. 21
Mit der Beibehaltung der Buchwerte wird es der übertragenden Körperschaft ermöglicht, bei ihr angesammelte stille Reserven auf die übernehmende Personengesellschaft oder natürliche Person unversteuert und steuerneutral zu übertragen. Eine Aufstockung der Buchwerte hingegen empfiehlt sich, wenn die übertragende Körperschaft über noch nicht verbrauchte Verlustvorträge verfügt oder das übergehende Vermögen einen negativen Wert hat.
3.2 Die Bedeutung der Handelsbilanz für das Bewertungswahlrecht nach § 3 Satz 1 UmwStG
Rz. 22
Steuerliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung können nach dem Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG nur in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz ausgeübt werden. Das würde für das Wahlrecht nach § 3 UmwStG bedeuten, dass die übertragende Körperschaft ihr Bewertungswahlrecht in der steuerlichen Schlussbilanz nur in Anspruch nehmen kann, wenn sie dementsprechend die übergehenden Wirtschaftsgüter auch in der Handelsbilanz bewertet. Ein dem § 3 Satz 1 UmwStG entsprechendes handelsrechtliches Bewertungswahlrecht sieht das UmwG jedoch nicht vor. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG hat der übertragende Rechtsträger seine Schlussbilanz "nach den Vorschriften über die Jahresbilanz" aufzustellen. Diese Regelung ist als Erleichterung gedacht, die es dem übertragenden Rechtsträger ermöglicht, die Bilanz des letzten Geschäftsjahres als Schlussbilanz zu verwenden. Das bedeutet, dass der übertragende Rechtsträger handelsrechtlich einen über dem Buchwert liegenden Wert nur sehr eingeschränkt ansetzen kann. In der Handelsbilanz werden die Vermögensgegenstände mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um plan- oder außerplanmäßige Abschreibungen, angesetzt (vgl. §§ 253, 254 HGB). Es ist lediglich eine Wertaufholung nach § 253 Abs. 4 und § 280 HGB bis zur Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorgesehen, bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern vermindert um die planmäßigen Abschreibungen, wenn in einem späteren Geschäftsjahr der Grund für die außerplanmäßigen Abschreibungen fortgefallen ist. Es fehlt in § 17 UmwG eine Öffnungsklausel, die es dem übertragenden Rechtsträger ermöglichen würde, den aufgrund von § 3 UmwStG gewählten bilanzsteuerrechtlichen Wertansatz in der Handelsbilanz nachzuvollziehen.
Rz. 23
Während § 3 UmwStG das steuerliche Bewertungswahlrecht der übertragenden Körperschaft für ihre steuerliche Schlussbilanz einräumt, gibt § 24 UmwG dem übernehmenden Rechtsträger ein Bewertungswahlrecht in der auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Handelsbilanz. § 24 UmwG gestattet dem übernehmenden Rechtsträger, "auch die in der Schlussbilanz eines übertragenden Rechtsträgers angesetzten Werte" zu wählen. Anstelle der Buchwerte kann der übernehmende Rechtsträger die Sacheinlage aber auch mit dem Zeitwert bewerten. Mit diesen unterschiedlichen Wahlrechten erweisen sich das UmwG und das UmwStG als nicht aufeinander abgestimmt, auch wenn beide Gesetze vom 28.10.1994 stammen.
Rz. 24
Die Verwaltung hält aufgrund des Prinzips der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bei der gegenwärtigen handelsrechtlichen Rechtslage in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft nur die in der Handelsbilanz zulässigen Werte für ansetzbar. Danach ist die Wahl eines über dem Buchwert liegenden Wertes nur bei den Wirtschaftsgütern zulässig, bei denen die handelsrechtlichen Voraussetzungen für eine Wertaufholung gegeben sind. Im Schrifttum wird die Auffassung der Verwaltung überwiegend abgelehnt. § 3 bilde als lex specialis zu § 5 Abs. 1 EStG eine Ausnahme vom Grundsatz der Maßgeblichkeit. Dieser Literaturmeinung muss gefolgt werden, will man das Bewertungswahlrecht des § 3 UmwStG nicht leerlaufen lassen. Auf der Grundlage der formellen Maßgeblichkeit werden Umstrukturierungen entgegen den Zielen des UmwStG behindert. Jedenfalls de lege ferenda sollte das steuerliche Wahlrecht nach § 3 UmwStG in der Steuerbilanz unabhängig von den Wertansätzen in der Handelsbilanz ausgeübt werden können.
Rz. 25
Die Praxis vermag sich auch auf dem Boden der vorstehenden Auffassung der Verwaltung zu behelfen. Eine Realisierung von stillen Reserven lässt sich dennoch erreichen, etwa um einen bei der übertragenden Körperschaft noch bestehenden Verlustvortrag nicht zu verlieren. Die übertragende Körperschaft kann vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag einzelne Wirtschaftsgüter an die Übernehmerin zum Markt...