Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 1
§ 4 UmwStG steht in Zusammenhang mit den §§ 3—10 UmwStG, die die steuerliche Behandlung des Vermögensübergangs von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person im Wege der Verschmelzung regeln (zum Anwendungsbereich der §§ 3ff. UmwStG vgl. § 3 Rz. 7ff.). Während § 3 UmwStG das Wertansatzwahlrecht der übertragenden Körperschaft enthält, das übergehende Betriebsvermögen in der Übertragungsbilanz entweder mit dem Buchwert, dem Teilwert oder einem Zwischenwert anzusetzen, regelt § 4 UmwStG zusammen mit § 5 UmwStG die steuerlichen Auswirkungen des Vermögensübergangs bei der übernehmenden Personengesellschaft oder der natürlichen Person.
Rz. 2
§ 4 UmwStG handelt zwar nur von Personengesellschaften als Übernehmerinnen. Die Vorschrift ist jedoch auf natürliche Personen entsprechend anwendbar, die das Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft im Wege der Verschmelzung übernehmen. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 9 Abs. 1 UmwStG. Nur wenn die übertragenen Wirtschaftsgüter nicht Betriebs-, sondern Privatvermögen der natürlichen Person werden, verweist § 9 Abs. 2 UmwStG lediglich auf § 4 Abs. 2 Satz 1 sowie auf Abs. 3. § 4 UmwStG ist schließlich anwendbar bei einem Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft nach § 14 UmwStG sowie bei einer Auf- oder Abspaltung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft.
Rz. 3
§ 4 Abs. 1 UmwStG enthält den Grundsatz der Buchwertverknüpfung zwischen den Wertansätzen in der Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft und denjenigen in der Bilanz der Übernehmerin. Abs. 2 und 3 regeln den Eintritt der Übernehmerin als Gesamtrechtsnachfolgerin in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Kapitalgesellschaft, insbesondere bezüglich der weiteren AfA. Nach Abs. 4 und 5 ist der Übernahmegewinn und -verlust zu ermitteln. Abs. 6 schreibt vor, einen Übernahmeverlust außer Ansatz zu lassen. Abs. 7 regelt die steuerliche Behandlung eines Übernahmegewinns entsprechend § 3 Nr. 40 EStG für natürliche Personen und § 8b Abs. 1 KStG für Kapitalgesellschaften.
Rz. 4
§ 5 UmwStG 1977 behandelte die Umwandlung eine Körperschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person steuerlich als Anschaffungsvorgang. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1977 galten die übergegangenen Wirtschaftsgüter mit den in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft enthaltenen Werten als angeschafft, die die Übernehmerin fortzuführen hatte. Die Werte waren nach § 3 Satz 1 UmwStG 1977 die Teilwerte. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personenhandelsgesellschaft oder eine natürliche Person einen tauschähnlichen Vorgang darstellt. Eine steuerneutrale Fortführung der Buchwerte war — im Gegensatz zu § 3 UmwStG n. F. — nicht möglich.
Rz. 5
Während bei der übertragenden Kapitalgesellschaft der infolge des Ansatzes der Teilwerte entstehende Übertragungsgewinn nach § 4 UmwStG 1977 aus Vereinfachungsgründen von der Körperschaftsteuer befreit war, weil diese ohnehin bei den Anteilsinhabern hätte angerechnet werden müssen, unterlag die Übernehmerin mit ihrem Übernahmegewinn in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und dem Wert, mit dem die Übernehmerin die Wertansätze der übergegangenen Wirtschaftsgüter fortzuführen hatte (vgl. § 5 Abs. 5 UmwStG 1977) zuzüglich des Körperschaftsteuerguthabens und des Sperrbetrages nach § 50c EStG (vgl. § 5 Abs. 3 UmwStG 1977) wie im Falle eines laufenden Geschäftsvorfalls der Einkommensteuer, ohne in den Genuss der Steuervergünstigungen nach § 16 Abs. 4 und § 34 EStG zu gelangen. Ein Übernahmeverlust, der das Körperschaftsteuerguthaben und den Sperrbetrag nach § 50c EStG übersteigt, war nach § 5 Abs. 4 UmwStG 1977 nicht abziehbar. Die Steuerpflicht der Gesellschafter mit dem Übernahmegewinn pflegte eine Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person praktisch auszuschließen, wenn zum Betriebsvermögen Grundstücke oder langlebige Wirtschaftsgüter mit hohen stillen Reserven gehörten.
Rz. 6
Anders als das UmwStG 1977 behandelt das UmwStG 1995 den Tausch des Vermögens der übertragenden Körperschaft gegen Mitgliedschaftsrechte an der übernehmenden Personengesellschaft nicht mehr als Anschaffungsvorgang, sondern belässt den Vorgang mangels Aufdeckung stiller Reserven erfolgsneutral: Mit dem in der Steuerbilanz der übertragenden Körperschaft ausgewiesenen Buchvermögen einschließlich offener Gewinnrücklagen und eines etwaigen Körperschaftsteuerguthabens verrechnet der Gesellschafter nach § 4 Abs. 4 UmwStG den Buchwert seiner Beteiligung. Bleibt dennoch eine Differenz aufgrund von beim Beteiligungserwerb bezahlten stillen Reserven, so kann der Gesellschafter den Übernahmeverlust, der sich aufgrund der für die stillen Reserven aufgewendeten Anschaffungskosten ergibt, durch eine Aufstockung der Buchwerte der übergegangenen Wirtschaftsgüter (step up) ...