4.4.1 Allgemeines
Rz. 170
Nach § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG steht dem Einbringenden ein originäres Bewertungswahlrecht zu, das er unabhängig von der Ausübung des Bewertungswahlrechts der übernehmenden Gesellschaft ausüben kann. Der Einbringende kann beantragen, dass der Buchwert oder ein Zwischenwert als Veräußerungspreis der eingebrachten und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile gilt. Voraussetzung für das originäre Bewertungswahlrecht des Einbringenden ist, dass entweder das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen durch die Einbringung weder ausgeschlossen noch beschränkt wird oder dass der Anteilstausch aufgrund der Vorgabe des Art. 8 der Fusionsrichtlinie nicht besteuert werden darf.
Rz. 171
Es handelt sich hierbei nicht um eine echte Rückausnahmeregelung. Zwar handelt es sich bei § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG um eine Ausnahme zu § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG, der wiederum eine Ausnahmeregelung zu § 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG darstellt. Anders als bei einer echten Rückausnahme gilt aber nicht wieder die Rechtsfolge des § 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG erfüllt sind.
4.4.2 Anwendungsbereich
Rz. 172
Die von § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG geregelten Fälle sind unzweifelhaft Unterfälle des § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG ("in den Fällen des Satzes 2"). § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG erfasst unstrittig alle Fälle des Anteilstauschs nach § 21 Abs. 1 UmwStG. Fraglich ist aufgrund des reinen Wortlauts allerdings, ob § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG auch noch alle Fälle des § 21 Abs. 1 UmwStG erfasst oder ob § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG nur die Fälle des qualifizierten Anteilstauschs erfasst, in denen die übernehmende Gesellschaft einen Antrag auf Ansatz des Buchwerts oder eines Zwischenwerts gestellt hat (Rz. 158ff.). Im letzteren Fall würde nämlich auch § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG als Unterfall des § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG nur die Fälle erfassen, in denen der übernehmenden Gesellschaft ein Antragsrecht zusteht und sie dieses auch ausgeübt hat.
Rz. 173
Nach der hier vertretenen Auffassung erfasst § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG alle Fälle des Anteilstauschs nach § 21 Abs. 1 UmwStG, und zwar aus folgenden Gründen:
- Wenn § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG von vornherein nur für die Fälle gelten würde, in denen sonst nicht der gemeine Wert angesetzt würde, wären damit nur die Fälle des qualifizierten Anteilstauschs mit Antrag der übernehmenden Gesellschaft erfasst. Dann aber hätte es des Verweises in § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG auf § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG nicht mehr bedurft.
- Es ergibt im Ergebnis keinen Sinn, § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG nur auf die Fälle zu beschränken, in denen die übernehmende Gesellschaft einen Antrag auf Ansatz des Buchwerts oder eines Zwischenwerts gestellt hat. Dies wäre nur dann angebracht, wenn es sich bei S. 3 um eine echte Rückausnahme handeln und wieder der Grundsatz der Wertverknüpfung greifen würde. Es ergibt hier aber keinen Sinn, das originäre Bewertungswahlrecht des Einbringenden an die Ausübung des Bewertungswahlrechts der übernehmenden Gesellschaft zu knüpfen. Da das Gesetz unstreitig keine kongruente Ausübung des Bewertungswahlrechts fordert, würde sonst auch ein Antrag der übernehmenden Gesellschaft auf Ansatz eines Zwischenwerts i. H. v. "99 %" des gemeinen Wertes für die Anwendung des S. 3 ausreichen.
- Zudem ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass eine Anknüpfung an einen bei der übernehmenden Gesellschaft für ausländische Besteuerungszwecke angesetzten Wert gerade vermieden werden soll und insoweit die Buchwertverknüpfung aufgegeben wird. Daraus kann der Rückschluss gezogen werden, dass gerade in den Fällen, in denen Anteile in eine ausländische Gesellschaft eingebracht werden, ungeachtet der Bewertung bei der übernehmenden Gesellschaft eine Buchwertfortführung aufgrund eines originären Antrags des Einbringenden unter den weiteren Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG möglich sein soll. Daher muss S. 3 auch die Fälle erfassen, in denen die übernehmende Gesellschaft keinen Antrag gestellt hat.
Rz. 174
Bei dem Verweis in § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG auf § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG ("unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 S. 2") stellt sich nach dem Wortlaut eine ähnliche Frage. Der Verweis kann dahingehend verstanden werden, dass er alle Fälle des qualifizierten Anteilstauschs erfasst. Der Verweis kann aber auch so interpretiert werden, dass er nur die Fälle erfasst, in denen die übernehmende Gesellschaft einen Antrag auf Ansatz des Buch- oder eines Zwischenwerts gestellt hat. Dies hängt letztlich davon ab, ob der Antrag ("auf Antrag") als eine Voraussetzung des § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG angesehen wird, ob es also "nur" um die Voraussetzungen des qualifizierten Anteilstauschs oder um die Voraussetzungen für einen möglichen Buchwertansatz insgesamt geht. Schon weil es dem Ziel des Gesetzgebers entspricht, die Buchwertfortführung auch dann zu ermöglichen, wenn ein Antrag aus formalen Gründen bei einer ausländischen übernehmenden Gesellschaft überhaupt nicht möglich ist, kann der Rückschluss gezogen werden, dass der Antrag für Zwecke des § 21 Abs. ...