Prof. Dr. Georg Schnitter
Rz. 66
Die Veräußerung eines Betriebs ist gegeben, wenn das rechtliche oder wirtschaftliche Eigentum an den wesentlichen Grundlagen des Betriebs auf ein anderes Rechtssubjekt gegen Entgelt übertragen wird. Es gelten die zu § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG entwickelten Grundsätze entsprechend. Unentgeltliche Übertragungen, z. B. im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge oder der Erbauseinandersetzung, stellen keine Veräußerung dar. Dies gilt jedoch nur bei Fortführung des Betriebs durch den unentgeltlichen Rechtsnachfolger während des restlichen Zeitraums von 5 Jahren. Keine Veräußerung ist auch die Verpachtung eines Betriebs, sofern keine Betriebsaufgabe erfolgt. Im Fall einer gemischten Schenkung gilt unter Heranziehung der Grundsätze der sog. Einheitstheorie § 6 Abs. 3 S. 1 UmwStG dann, wenn die Gegenleistung das Kapitalkonto des Betriebs übersteigt. Ebenfalls keine Veräußerung ist die verdeckte Einlage eines Betriebs. Stets eine Veräußerung i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 1 UmwStG stellt die Umwandlung des übernehmenden Rechtsträgers dar, wobei die Einbringung des übernehmenden Rechtsträgers in eine Kapitalgesellschaft gesondert in § 6 Abs. 3 S. 1 UmwStG geregelt ist. In den Fällen der Umwandlung tritt ggf. der übernehmende Rechtsträger für den Rest des Zeitraums von 5 Jahren – z. B. nach § 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG oder §§ 24 Abs. 4 i. V. m. 23 Abs. 1 UmwStG – in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein.
Rz. 67
In entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 16 Abs. 3 S. 1 EStG liegt die Aufgabe eines Betriebs vor, wenn die stillen Reserven bezüglich aller wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs aufgrund eines Entschlusses des Stpfl. in einem einheitlichen Vorgang z. B. durch Veräußerung an mehrere Abnehmer oder durch Überführung ins Privatvermögen aufgedeckt werden und die Existenz des Betriebs damit endet. Da § 6 Abs. 3 S. 1 UmwStG die Nichtfortführung des Betriebs sanktionieren will, ist die Regelung auch dann anwendbar, wenn die Betriebsaufgabe nicht in einem einheitlichen Vorgang, sondern schrittweise erfolgt. Zur Betriebsaufgabe führt auch die verdeckte Einlage eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft. Gleiches gilt, wenn hinsichtlich eines verpachteten Betriebs eine Aufgabeerklärung erfolgt.
Rz. 68
Die Betriebsveräußerung oder -aufgabe führt nur dann zum rückwirkenden Fortfall der Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 bzw. 2 UmwStG, wenn sie ohne triftigen Grund erfolgt. Eine Definition, was ein triftiger Grund ist, enthält § 6 Abs. 3 S. 1 UmwStG nicht. Verneint wurde ein triftiger Grund z. B. dann, wenn schon bei der Fassung des Verschmelzungsbeschlusses Umstände bekannt waren, die aller Voraussicht nach die Veräußerung des Betriebs innerhalb des Fünfjahreszeitraums erforderlich machen dürften. Eine Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe wird von einem triftigen Grund getragen, wenn sie vor dem Hintergrund des jeweiligen konkreten Einzelfalls durch vernünftige wirtschaftliche Gründe veranlasst ist. Die wirtschaftlichen Verhältnisse seit dem Zeitpunkt des Verschmelzungsbeschlusses müssen sich derart geändert haben, dass sich die Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe als wirtschaftlich vernünftige Reaktion auf die Veränderung der Verhältnisse darstellt. Zu bejahen ist dies, wenn die Mehrzahl vergleichbarer Unternehmer die gleiche Veränderungsentscheidung in einer vergleichbaren Situation unabhängig von dem Steuervorteil getroffen hätte. Als derartige Gründe kommen z. B. in Betracht Krankheit oder Tod des Unternehmers, Sinken der Rentabilität oder Fehlen von finanziellen Mitteln zur Durchführung notwendiger Rationalisierungen. Ein günstiger Veräußerungspreis ist nicht als triftiger Grund anzusehen. Die Feststellungslast für das Fehlen eines triftigen Grundes – es handelt sich um eine steuererhöhenden Umstand – obliegt nach den allgemeinen Grundsätzen der Finanzverwaltung.