3.3.4.1 Entstehungsgeschichte
Rz. 301
Nach st. Rspr. des BFH galt bereits vor Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei Personengesellschaften eine Abfärbewirkung gewerblicher Tätigkeit dergestalt, dass die Tätigkeit einer Personengesellschaft vollen Umfangs als gewerblich galt, wenn sie auch nur in einem Teilbereich gewerblich tätig war. Dabei kam es nicht darauf an, dass die gewerbliche Tätigkeit überwog; auch eine gewerbliche Betätigung nur geringen Umfangs führte zu dieser Abfärbewirkung. Diese gewerbliche Infektion anderer Gewinneinkünfte stand im Spannungsverhältnis zwischen einer erheblichen Ungleichbehandlung zwischen Personengesellschaften und Einzelunternehmern (die mehrere Betriebe unterhalten können) einerseits, sowie einer einheitlichen und praktikableren Gewinnermittlung andererseits. Nachdem der BFH Zweifel an der Allgemeingültigkeit dieser Abfärberegelung geäußert hatte, wurde sie dann gemeinsam mit der Regelung zur gewerblichen Prägung durch den Gesetzgeber festgelegt, um sich weiteren Risiken aus einer eventuellen Ungültigkeitserklärung durch den BFH zu entziehen. Die Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Dies gilt auch für die seinerzeit eingeführte Rückwirkung.
Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG soll verhindern, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der GewSt entzogen werden. Das gilt selbst dann, wenn die gewerbliche Tätigkeit von der GewSt befreit ist. Die GewSt-Befreiung erstreckt sich in solchen Fällen jedoch auch auf die Tätigkeit, die ohne die "Abfärbung" freiberuflich wäre.
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG wurde angefügt durch das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität v. 17.12.2019. und ist nach § 52 Abs. 23 S. 1 EStG auch für Vz vor 2019 anzuwenden. Der Gesetzgeber reagierte damit auf Rspr. des BFH, wonach die Abfärberegelung nicht gelten sollte, wenn aus der gewerblichen Tätigkeit – isoliert betrachtet – lediglich ein Verlust entsteht.
Rz. 302 und 303 einstweilen frei
3.3.4.2 Regelungsinhalt
Rz. 304
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG gilt eine OHG, KG oder "andere" Personengesellschaft als vollen Umfangs gewerblich tätig, wenn sie auch nur in einem Teilbereich eine originär gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG (einschl. der dort genannten gewerblichen Bodenbewirtschaftung) ausübt. Dies gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG unabhängig davon, ob aus der originär gewerblichen Tätigkeit einen Verlust oder Gewinn erzielt.
Als "andere" Personengesellschaft neben der OHG und KG sind insb. die allgemein von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erfassten Personengesellschaften aufzufassen, folglich auch die Innengesellschaften, die GbR oder die Erbengemeinschaft. Anders als für § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist allerdings keine Mitunternehmerschaft erforderlich, denn Sinn und Zweck der Norm ist gerade nicht die Qualifikation der Einkünfte des Mitunternehmers als gewerblich, sondern – eine Stufe vorher – die Festlegung des Umfangs der gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft. Erst danach ist zu prüfen, ob der jeweilige Gesellschafter als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
Rz. 305
Voraussetzung ist die Ausübung "auch" einer gewerblichen Tätigkeit. Dabei kann es sich entweder um eine originär gewerbliche Tätigkeit durch die Gesellschaft selbst (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 1 EStG: sog. "Seitwärtsinfektion") oder aber um die Zurechnung gewerblicher Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zur Gesellschaft als Mitunternehmerin (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG: "Aufwärtsinfektion") handeln. Nach neuer Rspr. unerheblich ist, ob die Personengesellschaft neben der geringen gewerblichen Tätigkeit überwiegend freiberuflich oder überwiegend vermögensverwaltend tätig ist. Nicht anwendbar ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aber u. a., wenn die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich im Halten der Anteile an einer anderen Gesellschaft besteht und die Personengesellschaft daneben über kein eigenes Vermögen verfügt.
Zu betrachten sind grundsätzlich nur solche Tätigkeiten, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden. Eine nur geringfügige gewerbliche Tätigkeit genügt; allerdings greift nach der Rspr. bei einem "äußerst geringen Anteil" der schädlichen gewerblich...