Rz. 51
Der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn nach § 16 EStG kann durch Anwendung des § 6b EStG gemindert oder vermieden werden, wenn und soweit im veräußerten Vermögen (ggf. einschl. des Sonderbetriebsvermögens) begünstigungsfähige Wirtschaftsgüter enthalten sind, die Voraussetzungen des § 6b EStG vorliegen und Übertragungsmöglichkeiten auf andere Wirtschaftsgüter bestehen (§ 6b EStG Rz. 13). Letztere setzt den Fortbestand einer Gewinnermittlung durch Bilanzierung voraus. Dies ist denkbar bei der Teilbetriebsveräußerung oder -aufgabe im Rahmen des Restbetriebs oder bei einer Anteilsveräußerung, aber auch bei der Veräußerung oder Aufgabe des ganzen Betriebs durch eine fortbestehende und weiterhin bilanzierende Mitunternehmerschaft oder Kapitalgesellschaft (Rz. 36). Keine Rücklagenbildung ist mangels einer entgeltlichen Übertragung möglich bei im Rahmen einer Betriebsaufgabe ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgütern (§ 6b EStG Rz. 10).
Wird durch die Anwendung des § 6b EStG der Veräußerungsgewinn nur teilweise vermieden, so gilt für den verbleibenden Veräußerungsgewinn die Steuervergünstigung gem. § 16 Abs. 4 EStG (arg. ex § 34 Abs. 1 S. 4 EStG). Dies widerspricht zwar dem Gesetzeszweck des § 16 EStG (Milderung der Steuer wegen zusammengeballter Aufdeckung aller stillen Reserven), ist aber, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 16 EStG erfüllt sind, unvermeidbar, weil dieser Gesetzeszweck nicht Tatbestandsmerkmal ist (Rz. 48).
Rz. 52
Die Tarifermäßigung des § 34 EStG ist neben den §§ 6b, 6c EStG allerdings nicht anwendbar (§ 34 Abs. 1 S. 4 EStG; § 6b EStG Rz. 13). Der Stpfl. steht somit vor die Wahl, den Veräußerungsgewinn entweder vollen Umfangs sofort unter Inanspruchnahme der Tarifvergünstigung des § 34 EStG zu versteuern oder die Versteuerung durch § 6b EStG ganz oder teilweise zulasten eines ggf. laufenden Gewinns hinauszuschieben. Denn wird ein Teil des Veräußerungsgewinns durch § 6b EStG ausgeschlossen, so sind die dadurch in spätere Wirtschaftsjahre verlagerten Gewinne normale laufende Gewinne; dies gilt auch dann, wenn eine § 6b-Rücklage in einem späteren Wirtschaftsjahr mangels Übertragung wegen Zeitablaufs aufgelöst werden muss.
Rz. 53
Wird eine früher gebildete § 6b-Rücklage anlässlich der Betriebsveräußerung oder -aufgabe aufgelöst, so sind die Gewinnauswirkungen Teil des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns. Wird sie nicht aufgelöst, sondern fortgeführt, so soll das für die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG und des § 34 EStG schädlich sein, wenn sie eine wesentliche Betriebsgrundlage des veräußerten Betriebs betrifft (R 6b. 2 Abs. 10 EStR 2012), weil nicht alle stillen Reserven aufgelöst sind (aus den o. a. Gründen zweifelhaft, weil kein Tatbestandsmerkmal), und unschädlich, wenn dies nicht der Fall ist. Bei einem Zusammenhang zwischen der Veräußerung des Wirtschaftsguts, die zur Bildung der § 6b-Rücklage geführt hat, und der Betriebsveräußerung kann allerdings u. U. der Gesamtvorgang als – bei allzu langer zeitlicher Erstreckung dann nicht begünstigte – Betriebsaufgabe anzusehen sein, wenn das vorab veräußerte Wirtschaftsgut wesentliche Betriebsgrundlage war.
Veräußert eine Mitunternehmerschaft ihren Betrieb, so ist erst auf der Ebene der Gesellschafter bzw. Mitunternehmer zu entscheiden, ob § 6b EStG anzuwenden ist oder die Voraussetzungen der §§ 16, 34 EStG vorliegen; deshalb kann der Gewinnanteil eines Mitunternehmers auch dann nach den §§ 16, 34 Abs. 2 EStG begünstigt sein, wenn ein anderer § 6b EStG in Anspruch nimmt (zum zwischenzeitlichen Wechsel zwischen rechtsträgerbezogener und gesellschafterbezogener Betrachtung vgl. § 6b EStG Rz. 16ff.).