10.1 Zweck der Vorschrift
Rz. 102a
Die in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG getroffene Regelung ist mit dem Gesetz zur Förderung von Wagniskapital v. 30.7.2004 in § 18 Abs. 1 EStG eingefügt worden. Damit sollen sog. Wagniskapitalgesellschaften und deren Initiatoren steuerlich gefördert und die Bereitschaft, Wagniskapital zur Verfügung zu stellen, gestärkt werden, da sie wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg und zur Wertentwicklung des Beteiligungsportfolios beitragen. Derartige Fonds (Venture Capital Fonds bzw. Private Equity Fonds) werden von Initiatoren gegründet, um sich an nicht börsennotierten Unternehmen zu beteiligen. Jungen, im Aufbau begriffenen Unternehmen kann so Wagniskapital zur Verfügung gestellt werden. Die Investoren verfolgen aber vor allem das Ziel, Unternehmenswertsteigerungen zu verwirklichen. Umstritten war dabei die ertragsteuerliche Behandlung, insbesondere der bei solchen Fonds üblichen gesonderten Leistungsentgelte der Fonds-Initiatoren. Da es auf deren Fähigkeiten für den Erfolg des Unternehmens entscheidend ankommt, erhalten die Initiatoren regelmäßig einen Gewinnvorzug als zusätzliche Vergütung neben dem eigentlichen Gewinnanteil ("Carried Interest"). Eine derartige Abrede ist zulässig, soweit sie im Voraus vereinbart wurde und ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis findet. Die Höhe dieses Gewinnanteils liegt meist bei 20 % des Fondsgewinns. Bis zu der Gesetzesänderung gab es zur Besteuerung des "Carried Interest" lediglich eine Verwaltungsanweisung. Mit der in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG getroffenen Regelung stuft der Gesetzgeber den erhöhten Gewinnanteil der Fonds-Initiatoren (systemwidrig) als Tätigkeitsvergütung aus selbstständiger Arbeit ein. Bereits die Verwaltungsanweisung ging davon aus, dass die Vergütung als Entgelt für die gegenüber den Mitgesellschaftern erbrachte Dienstleistung anzusehen sei. Die Zahlungen sind damit zwar in vollem Umfang einkommensteuerpflichtig, werden nun aber (anders als in der Verwaltungsanweisung) über den ebenfalls neu eingefügten § 3 Nr. 40a EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen. Das Halbeinkünfteverfahren ist nach § 52 Abs. 4c EStG erst auf Vergütungen anzuwenden, die nicht unter die Übergangsregelung fallen. Die Wagniskapitalgesellschaft darf erst nach dem 31.3.2002 gegründet worden sein oder, falls die Vergütung im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entstanden ist, die Anteile dürfen nicht nach dem 7.11.2003 erworben worden sein. Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 wurde die Steuerbefreiung ab Vz 2009 von 50 % auf 40 % abgesenkt. Die abgesenkte Steuerbefreiung ist erstmals bei Fonds anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 gegründet wurden (§ 52 Abs. 4e EStG).
Die steuersystematische Fragwürdigkeit der Regelung (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG als lex specialis zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) ist vom Gesetzgeber offenbar bewusst in Kauf genommen worden. Der gewählte Weg sollte vor allem die rechtliche Wirkung der Verwaltungsauffassung absichern. Zur effektiven Steuerbelastung des "Carried Interest" auch im Vergleich mit den Regelungen Großbritanniens und der USA s. Anzinger/Jekerle, IStR 2008, 821, 827.
10.2 Beteiligung an einer Wagniskapitalgesellschaft
Rz. 102b
Die Gesellschaft, für die der Initiator tätig wird, muss eine Wagniskapitalgesellschaft sein, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Das Gesetz spricht insoweit von einer "vermögensverwaltenden Gesellschaft, deren Zweck im Erwerb, Halten und in der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften" besteht. Typischerweise handelt es sich dabei um eine GmbH & Co. KG, häufig auch um eine Limited Partnership oder die luxemburgische Societe en Commandite Simple. An dieser Gesellschaft sind die Kapitalanleger als Kommanditisten beteiligt, als Komplementärin fungiert eine GmbH der Initiatoren. Die Initiatoren selbst sind häufig ebenfalls als Kommanditisten beteiligt, um entsprechendes Vertrauen bei den Kapitalanlegern zu schaffen. Voraussetzung ist eine gesellschaftsrechtliche kapitalmäßige Beteiligung an einer Personengesellschaft, eine Mindestquote ist nicht erforderlich.
Aus den Mitteln der Gesellschaft werden Anteile an den zu finanzierenden Unternehmen (Portfolio-Gesellschaft) erworben. Es muss sich um eine vermögensverwaltende Gesellschaft handeln, d. h. der Fonds darf weder originär gewerblich tätig noch gewerblich geprägt oder infiziert sein. Der "Carried Interest" eines gewerblich tätigen Private Equity-Fonds ist nicht als Tätigkeitsvergütung, sondern als Gewinnanteil zu qualifizieren. Sog. "Exit-Boni", die anlässlich des Ausstiegs von Finanzinvestoren an die ebenfalls an der nicht vermögensve...