Rz. 12
Eine Abgrenzung zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit nach dem Inhalt der Tätigkeit ist nicht möglich, weil diese regelmäßig sowohl in der einen als auch in der anderen Form ausgeübt werden kann. Ebenso wenig kann es auf die Dauer der Tätigkeit ankommen, da vorübergehende und kurzfristige Tätigkeiten bei beiden Tätigkeitsformen ebenso wie regelmäßiges und lang andauerndes Tätigwerden zu beobachten sind. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse, wie es sich bei einer Gegenüberstellung einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale ergibt. Charakteristisch für die selbstständige Ausübung der Tätigkeit ist, dass der Stpfl. auf eigene Rechnung und Gefahr tätig wird, das Erfolgsrisiko dieser Tätigkeit selbst trägt (Unternehmerinitiative bzw. -risiko) und dass er den Umfang und die Intensität seines Arbeitseinsatzes selbst bestimmt. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ist deshalb ein wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, ebenso, dass Sozialleistungen (z. B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) nicht gewährt werden. Typischerweise unselbstständig arbeitet dagegen, wer hinsichtlich Art, Umfang und Zeit der zu leistenden Arbeit Weisungen unterliegt (§ 1 Abs. 2 LStDV), ohne dass damit aber ein sicheres Abgrenzungsmerkmal vorläge. Für die Abgrenzung entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Dabei sind die für und gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale (§ 19 EStG Rz. 22ff.) gegeneinander abzuwägen. Es kommt dabei nicht allein auf die Indizien an. In die Würdigung ist vielmehr auch einzubeziehen, wie das der Beschäftigung zugrunde liegende Vertragsverhältnis ausgestaltet worden ist, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind. Der Ausweis der USt ist insoweit allein nicht ausschlaggebend, da er auf einem Rechtsirrtum der Vertragsparteien beruhen kann. Die arbeits- und sozialrechtliche Einordnung hat allenfalls indizielle Bedeutung, eine Bindung besteht nicht; § 19 EStG Rz. 20. Auch die sozialrechtlichen Regelungen über die sog. Schein-Selbstständigkeit sind im Steuerrecht grundsätzlich nicht maßgeblich, der Begriff des "Arbeitnehmers" ist in den einzelnen Rechtsgebieten unterschiedlich.
Rz. 13
Einzelfälle nichtselbstständiger Tätigkeit (§ 19 EStG Rz. 139b):
- Berufssportler;
- Frachtführer, der kein eigenes Fahrzeug nutzt und in den Tourenplan seines Auftraggebers eingeordnet ist, anders wer Aufträge in eigenem Namen mit eigenem Fahrzeug für Dritte ausführt;
- Sanitätshelfer karitativer Einrichtungen; Trainer in Sportvereinen;
- Werbedamen;
- Freier Mitarbeiter;
- Opernsängerin.
R 18.1 EStH 2022 hält für Zweifelsfälle bei bestimmten ärztlichen Leistungen (z. B. als Betriebsarzt) und für Erfinder Abgrenzungsmerkmale bereit. Von Bedeutung ist die Abgrenzung wegen der Entstehung (steuerverstrickten) Betriebsvermögens und der Zulässigkeit von Außenprüfungen nach § 193 Abs. 1 AO bei Freiberuflern. Andererseits können diese anders als Nichtselbstständige z. B. Abschreibungswahlrechte oder InvZul in Anspruch nehmen.
Rz. 14
Selbstständiges Tätigwerden trotz Bestehens eines nichtselbstständigen Arbeitsverhältnisses ist möglich. Die (freiberufliche) Nebentätigkeit wird aber von dem Arbeitsverhältnis überlagert, wenn Haupt- und Nebentätigkeit gleichartig sind und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen ausgeübt wird wie die Haupttätigkeit oder wenn der Stpfl. mit der Nebentätigkeit ihm aus seinem Dienstverhältnis faktisch oder rechtlich obliegende Nebenpflichten erfüllt. Deshalb erbringt ein angestellter Chefarzt wahlärztliche Leistungen unselbstständig, wenn diese Aufgaben vertraglich geschuldet sind und er in den geschäftlichen Organismus des Krankenhauses eingebunden ist. Es kommt darauf an, mit wem der Behandlungsvertrag über die wahlärztlichen Leistungen abgeschlossen wurde und wer die Liquidation vornimmt. Ähnliche Fragen stellen sich, wenn ein Klinikarzt ein medizinisches Gutachten erstellt. Gutachten von Chefärzten gegen Entgelt auf deren eigenen Briefkopf sprechen für eine freiberufliche Tätigkeit; Gutachten von Assistenzärzten, die arbeitsvertraglich zurErstellung verpflichtet sind, handeln im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses und erzielen auch bei gesonderter Vergütung Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.
Die Voraussetzungen sind auch bei einem Zeitungsausträger, der Prämien für freiwillige Werbung neuer Abonnenten erhält, nicht erfüllt, zumal wenn die Nebentätigkeit von dem Arbeitgeber entlohnt wird. Auch im Rahmen einer Nebentätigkeit wird ein Stpfl. nur dann selbstständig tätig, wenn er eigene Unternehmerinitiative entfaltet und eigenes Unternehmerrisiko trägt. Einnahmen aus selbstständiger Arbeit liegen deshalb etwa vor, wenn ein Musiktheater an seine angestellten Orchestermusiker Vergütungen für die Übertragung von Leistungsschutzrechten (Fernsehausstrahlungen) in Fällen zahlt, in denen die Leistungsschutzrechte nicht bere...