Rz. 95
§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG enthält keine abschließende Aufzählung sonstiger selbstständiger Tätigkeiten, sondern nennt beispielhaft Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ("Regelbeispiele"). Diese Beispiele charakterisieren die sonstige selbstständige Tätigkeit; deshalb setzt die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG voraus, dass die Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten ähnlich ist. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist kein Auffangtatbestand. Beratende Tätigkeiten etwa, die keinem der Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich sind, werden von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht erfasst. Im Gegensatz zu einem Katalogberuf reicht hier eine sog. "Gruppenähnlichkeit" aus. Die zu beurteilende Tätigkeit muss danach nicht einer bestimmten Tätigkeit, sondern den beispielhaft genannten Tätigkeiten hinsichtlich der allen gemeinsamen Merkmale ähnlich sein. Gemeinsam ist den aufgezählten Betätigungen die Sorge um die Erhaltung fremden Vermögens (Vermögensverwaltung) und eine nur gelegentliche Tätigkeit. Aufwandsentschädigungen, die an ehrenamtliche Mitglieder kommunaler Vertretungen oder von Sozialversicherungsträgern geleistet werden, gehören hierher, nicht aber Vergütungen nach dem JVEG für Schöffen. Deren Tätigkeit ist weder vermögensverwaltend, noch dient sie fremden Vermögensinteressen. Die Ausübung eines Ehrenamts schließt auch die Gewinnerzielungsabsicht nicht generell aus. Bei ehrenamtlichen Bürgermeistern ist danach zu unterscheiden, ob sie nach der jeweiligen landesrechtlichen Gemeindeordnung (auch) Verwaltungsaufgaben erledigen oder lediglich Repräsentanten des Rates bzw. der Gemeindevertretung sind. Haben sie auch Exekutivaufgaben, können sie Arbeitnehmer sein Nachhaltig ausgeübte Tätigkeiten können nur ausnahmsweise hierunter fallen. Die Entschädigung für Zeitversäumnis für ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzender des Vorstandes einer Rentenversicherung sind Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Bei den Einkünften aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG beruht die Tätigkeit schon dann nicht mehr auf der persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers, wenn sie einen Umfang annimmt, der die ständige Beschäftigung mehrerer Angestellter, freier Mitarbeiter oder die Einschaltung von Subunternehmen erforderlich macht und diesen nicht nur untergeordnete, insbesondere vorbereitende oder mechanische Aufgaben übertragen werden.
Rz. 96
Die für diesen Bereich auch nach der Gesetzesänderung durch das SteuÄndG 1960 noch lange Jahre geltende sog. "Vervielfältigungstheorie" (Rz. 85), hat die Rspr. aufgegeben. Weder Entstehungsgeschichte der Neuregelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 u. 4 EStG, noch der Gesetzeszweck, noch der Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG sprechen dafür, die Mitarbeit fachlich vorgebildeter Hilfskräfte hier anders zu beurteilen als im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Die Vervielfältigungstheorie war aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und des damit verbundenen Zwangs zur Spezialisierung überholt. Das gilt aber erst recht für die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten weniger herausgehobenen und eher kaufmännisch geprägten Berufsgruppen und insbesondere für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters, die sich zu einem eigenständigen Beruf verselbstständigt hat.
Die Abgrenzung, ob im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsorganisation einer Insolvenzverwalter- oder Zwangsverwalter-Praxis wie auch der Zahl der betreuten Verfahren und der Zahl qualifizierter Mitarbeiter noch eine freiberufliche oder bereits eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, liegt weitgehend auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung und -würdigung.
Ob typische Tätigkeiten des Insolvenzverwalters auf Mitarbeiter übertragen werden können, richtet sich nach der InsO. Es ist berufstypisch, dass der Insolvenzverwalter sich insbesondere bei der Verwertung der Masse Dritter bedient. Notwendig ist aber, dass dem Insolvenzverwalter Entscheidungen über das "Ob" bestimmter Einzelakte (z. B. "Prozessführung") persönlich vorbehalten bleiben. Das gilt für alle zentralen Aufgaben, die die InsO dem Insolvenzverwalter zuweist (z. B. Berichtspflichten, Erstellung von Insolvenzplan und Schlussrechnung). Auf die Zahl der Hilfspersonen kommt es dann nicht entscheidend an. Nur unter diesen Voraussetzungen trägt die Arbeitsleistung den erforderlichen "Stempel der Persönlichkeit" des Stpfl., auch wenn er in einzelnen Routinefällen ausnahmsweise nicht mitarbeitet. Die Ausübung der Insolvenzverwaltung an verschiedenen überregionalen Standorten (hier: drei) unter Beschäftigung von qualifizierten angestellten Rechtsanwälten allein begründet grundsätzlich keine Zweifel an der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit des Insolvenzverwalters. Diese Maßstäbe gelten entsprechend für die Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters ...