Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 409
Nach § 20 Abs. 9 S. 1 EStG ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ausgeschlossen. Stattdessen wurde den Stpfl. im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 14.8.2007 ein Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 801 EUR (1.602 EUR bei zusammen veranlagten Ehegatten) gewährt, der bei der Ermittlung der Einkünfte als Werbungskosten abzuziehen ist. Im Sparer-Pauschbetrag gingen der bisherige Sparer-Freibetrag i. S. d. § 20 Abs. 4 EStG a. F. i. H. v. 750 EUR und der bisherige Werbungskosten-Pauschbetrag i. S. d. § 9a S. 1 Nr. 2 EStG a. F. i. H. v. 51 EUR auf, die im Rahmen der Einführung der Abgeltungsteuer gestrichen wurden.
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 v. 16.12.2022 wurde der Sparer-Pauschbetrag auf 1.000 EUR (2.000 EUR bei zusammen veranlagten Ehegatten) erhöht. Der zeitliche Anwendungsbereich von § 20 Abs. 9 S. 1 EStG ergibt sich aus § 52a Abs. 10 S. 10 EStG a. F. Danach ist § 20 Abs. 9 S. 1 EStG erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Da § 20 Abs. 9 S. 1 EStG Werbungskosten zum Gegenstand hat, kommt es damit auf den Zeitpunkt des Abschlusses an, sodass unter § 20 Abs. 9 S. 1 EStG alle Werbungskosten fallen, die beim Stpfl. nach dem 31.12.2008 abfließen. Keine Bedeutung hat, ob die Werbungskosten mit Einnahmen im Zusammenhang stehen, die vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind.
Rz. 410
Der Gesetzgeber rechtfertigt das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG damit, dass mit der Gewährung des Sparer-Pauschbetrags i. H. v. 1.000 EUR eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern niedriger Kapitaleinkünfte sowie mit der Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % zugleich eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern höherer Kapitaleinkünfte vorgenommen wurde. Dem ist zuzustimmen (Einzelheiten Rz. 43ff.).
Nach der Rspr. ist der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit im Einzelfall verbundenen Härten gegen die Belastungsgleichheit zu verstoßen. Bei Anwendung dieser Maßstäbe hält das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG verfassungsrechtlichen Anforderungen stand. Zum einen ist eine hinreichend realitätsgerechte Regelung zu bejahen, da bei der überwiegenden Zahl der Kleinanleger i. d. R. nicht mehr als 1.000 EUR an Werbungskosten im Kj. anfallen. Zum anderen dürften bei der kleinen Gruppe der Spitzeninvestoren die Auswirkungen des Abzugsverbots für Werbungskosten durch die Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % hinreichend ausgeglichen sein. Nicht außer Acht zu lassen ist ferner, dass insbesondere die Fremdfinanzierung von Kapitalanlagen, die zu erheblichen Werbungskosten führen kann, weder im unteren noch im oberen Einkommensbereich mit einer derartigen Häufigkeit vorkommt, dass sie als geradezu typischer Fall betrachtet werden müsste, der bei einer Typisierung der Werbungskosten stets in Rechnung zu stellen wäre. Insgesamt betrachtet ist das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG danach verfassungsgemäß, was auch vom BFH so gesehen wird.
11.1.1 Genereller Ausschluss des Werbungskostenabzugs
Rz. 411
§ 20 Abs. 9 S. 1 EStG sieht ein generelles Abzugsverbot für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG vor. Zu den von § 20 Abs. 9 S. 1 EStG erfassten Werbungskosten gehören nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG alle Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Entgegen dem Wortlaut von § 9 Abs. 1 S. 1 EStG erfordert das Vorliegen von Werbungskosten allerdings keinen finalen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einnahmen. Vielmehr genügt es, wenn die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerbaren Einnahmen veranlasst sind. Der Begriff der Werbungskosten und der Begriff der Betriebsausgaben i. S. d. § 4 Abs. 4 EStG sind insofern inhaltlich deckungsgleich. Erforderlich ist, dass die Aufwendungen in einem objektiven Zusammenhang mit Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 bis 7 i. V. m. §§ 19 bis 24 EStG stehen und subjektiv zu deren Förderung gemacht werden, wobei die subjektive Förderungsabsicht weit zu verstehen ist und bei unfreiwilligen Aufwendungen auch ganz entfallen kann.
Geht man hiervon aus, gehören zu den Werbungskosten bei den laufenden Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG vor allem solche Aufwendungen, die durch die vermögensmäßige Beteiligung an einer Körperschaft i. S. d. § 2...