Rz. 413

Zu beachten ist, dass das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG bereits innerhalb des § 20 EStG eine Reihe von Ausnahmen erfährt. Dies betrifft zunächst negative Einnahmen, die schon begrifflich nicht zu den Werbungskosten gehören, sodass § 20 Abs. 9 S. 1 EStG auf sie keine Anwendung findet. Negative Einnahmen liegen vor, wenn ein Stpfl. aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Umstände verpflichtet ist, empfangene Einnahmen zurückzuzahlen.[1] Im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zählen insbesondere gezahlte Stückzinsen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und Verlustanteile eines stillen Gesellschafters i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu den negativen Einnahmen.[2] Eine weitere Ausnahme vom Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG findet sich in § 20 Abs. Nr. 11 EStG. Danach sind bei Stillhaltergeschäften die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien von den Stillhalterprämien abzuziehen. Bei Glattstellungsprämien handelt es sich um Werbungskosten[3], sodass ihre Abziehbarkeit im Rahmen des § 20 Abs. Nr. 11 EStG eine Durchbrechung des Abzugsverbots für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG darstellt.

Abweichend vom Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG besteht nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG weiterhin die Möglichkeit, bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Kapitalanlagen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG, die Anschaffungskosten und die Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, steuermindernd geltend zu machen. Zu Letzteren zählen alle Aufwendungen, die durch die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an einer Kapitalanlage veranlasst sind, wie etwa Bankgebühren oder Notarkosten.[4] Schließlich ist bei der Ermittlung des Gewinns aus Termingeschäften nach § 20 Abs. 4 S. 5 EStG der erzielte Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag, um die Aufwendungen zu mindern, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. Hierunter fallen nicht nur Transaktionskosten, sondern auch Aufwendungen für die Anschaffung des Termingeschäfts.[5]

 

Rz. 414

Weitere Ausnahmen vom Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG finden sich in § 32d EStG. Nicht anwendbar ist das Abzugsverbot für Werbungskosten zunächst in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG. Die Regelung betrifft Konstellationen, in denen nach Ansicht des Gesetzgebers die Gefahr besteht, dass Einkünfte aus den höher besteuerten anderen Einkunftsarten in die niedrig besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen verlagert werden.[6] Betroffen sind Kapitalüberlassungen zwischen nahestehenden Personen, bestimmte Fälle der Gesellschafter-Fremdfinanzierung und wechselseitige Kapitalüberlassungen in Form von "Back-to-Back-Finanzierungen". In den genannten Fällen schließt § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG die Anwendung des Sondertarifs für Kapitaleinkünfte aus und unterwirft Einkünfte im Rahmen einer verpflichtenden Veranlagung dem normalen ESt-Tarif. Im Gegenzug findet das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG keine Anwendung. Gleiches gilt in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG. Die Vorschrift erlaubt dem Stpfl. eine wahlweise Veranlagung von Einkünften aus Kapitalvermögen, die aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stammen, an der er zu mindestens 25 % oder zu mindestens 1 % beteiligt, und für diese beruflich tätig ist. Sinn und Zweck des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist, dem Stpfl. in Fällen, in denen eine Beteiligung nicht zur Kapitalanlage, sondern für eine Berufstätigkeit erworben wird, den Abzug der Finanzierungskosten zu ermöglichen.[7] Aus diesem Grund findet das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG in den Konstellationen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG keine Anwendung.[8]

In allen anderen Fällen des § 32d EStG bleibt es bei der Anwendung des Abzugsverbots für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG. Dies gilt insbesondere für die in § 32d Abs. 6 EStG vorgesehene Günstigerprüfung. Die Regelung, die der BFH im Wesentlichen als eine Art Billigkeitsregelung interpretiert, gestattet dem Stpfl. eine wahlweise Veranlagung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen, falls die Anwendung des progressiven Normaltarifs i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG zu einer niedrigeren ESt führt als die Anwendung proportionalen Sondertarifs i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG. Der Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG ist unbefristet möglich.[9] Das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG wird durch den Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG nicht aufgehoben, wie der BFH bestätigt hat.[10]

[2] Ratschow, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 20 EStG Rz. 491.
[4] Bleschick, in Kirchhof/Seer, EStG, 2024, § 20 EStG Rz. 150.
[5] Ratschow, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 20 EStG Rz. 4...

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