Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 288
§ 20 Abs. 3a EStG regelt die materiell-rechtliche Behandlung von Fehlern, die den Kreditinstituten beim KapESt-Abzug unterlaufen und erst nach Ablauf eines Kalenderjahres aufgedeckt werden. Die Regelung wurde durch das JStG 2010 nachträglich eingefügt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sie den mit der Abgeltungsteuer angestrebten Vereinfachungseffekt gewährleisten und Veranlagungsfälle vermeiden helfen.
Rz. 289
Die Neuregelung steht in engem Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 43a Abs. 3 S. 7 EStG. Diese sieht vor, dass die zum KapESt-Abzug verpflichtete Stelle Fehler, die ihr bei Einbehalt und Abführung der KapESt unterlaufen und erst nach Ablauf eines Kalenderjahres bekannt werden, nur mit Wirkung für die Zukunft korrigieren darf. Eine Fehlerkorrektur für die Vergangenheit ist im Steuerabzugsverfahren damit ausgeschlossen. Eine Ausnahme besteht nach Auffassung des Gesetzgebers nur in den Fällen, in denen der Fehler offensichtlich von dem Kreditinstitut zu vertreten ist. In diesem Fall kann die zum KapESt-Abzug verpflichtete Stelle ausnahmsweise eine Fehlerkorrektur mit Wirkung für die Vergangenheit vornehmen. Der Gesetzgeber schließt sich damit der Auffassung der Finanzverwaltung an. Hintergrund des Verbots einer rückwirkenden Fehlerkorrektur im Steuerabzugsverfahren ist der mit der Abgeltungsteuer verfolgte Vereinfachungseffekt. Mit Ablauf des Kalenderjahres tritt im Steuerabzugsverfahren eine Zäsurwirkung ein. Die Verlustverrechnung erfolgt nach § 43a Abs. 3 S. 2 EStG nur innerhalb eines Kalenderjahres. Nicht ausgeglichene Verluste können nur in die Folgejahre vorgetragen oder bescheinigt werden. Über die im Kj. abgeführte KapESt wird auf Verlangen des Stpfl. nach § 45a Abs. 2 S. 1 EStG eine Steuerbescheinigung ausgestellt. Mit dieser Zäsurwirkung wäre es nicht vereinbar, wenn Fehler beim KapESt-Abzug mit Wirkung für die Vergangenheit korrigiert werden könnten. Jede rückwirkende Fehlerkorrektur würde eine Vielzahl von Folgekorrekturen nach sich ziehen, wie etwa die Neuberechnung der Verlusttöpfe oder die Änderung der Steuerbescheinigungen. Um den Vereinfachungseffekt der Abgeltungsteuer nicht zu gefährden, dürfen die Kreditinstitute Fehler, die ihnen beim KapESt-Abzug unterlaufen, daher nur mit Wirkung für die Zukunft korrigieren.
Rz. 290
Durch § 20 Abs. 3a EStG soll dieses gesetzgeberische Regelungsziel materiell-rechtlich abgesichert werden. Daher bestimmt § 20 Abs. 3a S. 1 EStG, dass Fehler bei Einbehalt und Abführung der KapESt, die erst nach Ablauf eines Kalenderjahres aufgedeckt werden, auch im Rahmen des Veranlagungsverfahrens nur mit Wirkung für die Zukunft korrigiert werden dürfen. Die Regelung fingiert, dass sich der in Rede stehende kapitalertragsteuerpflichtige Vorgang auch materiell-rechtlich im Kj. der Aufdeckung des Fehlers ereignet hat, und zugleich, dass der fehlerhafte KapESt-Abzug ebenfalls in diesem Kj. erfolgt ist. Auf diese Weise erreicht der Gesetzgeber einen Gleichlauf von Steuerabzugsverfahren und Veranlagungsverfahren. Dem Stpfl. ist es nicht möglich, durch eine Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 oder 6 EStG eine rückwirkende Fehlerkorrektur herbeizuführen. Im Hinblick auf den Vereinfachungseffekt der Abgeltungsteuer ist diese Regelung notwendig und sinnvoll. Flankierend sieht die Regelung des § 20 Abs. 3a S. 2 EStG vor, dass eine Fehlerkorrektur im Veranlagungsverfahren nur dann erfolgt, wenn der Stpfl. durch eine Bescheinigung der zum KapESt-Abzug verpflichteten Stelle nachweist, dass diese die Korrektur nicht vorgenommen hat und auch in Zukunft nicht vornehmen wird. Die Vorschrift soll verhindern, dass Korrekturen doppelt berücksichtigt werden, zum einen von den Kreditinstituten im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens, zum anderen auf Antrag des Stpfl. im Rahmen des Veranlagungsverfahrens nach § 32d Abs. 4 oder 6 EStG. Auch diese Regelung hat ihre Berechtigung und trägt dem Vereinfachungseffekt der Abgeltungsteuer Rechnung.