Dr. iur. Nils Petersen, Prof. Klaus Lindberg †
6.1 Allgemeines
Rz. 226
Bei einer Personenmehrheit (GbR, KG, OHG, Grundstücksgemeinschaft) erfolgt die Ermittlung der Einkünfte anhand einer zweistufigen Prüfung. Zunächst ist festzustellen, wer die Einkünfte erzielt. Das ist die Personenmehrheit, wenn die Gesellschafter (Gemeinschafter) in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit den Tatbestand des § 21 EStG erfüllen (Rz. 52f.). Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG können einem einzelnen Miteigentümer nur dann (anteilig) zugerechnet werden, wenn und soweit er in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand des § 21 Abs. 1 EStG erfüllt.
Rz. 227
Die Einkünfte ermitteln sich als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten auf der Ebene der Personenmehrheit. Werbungskosten sind nur insoweit zu berücksichtigen als sie bei den gemeinschaftlich erzielten Einnahmen erwachsen sind. Sonderwerbungskosten, die der einzelne Gesellschafter getragen hat, z. B. eigene Finanzierungskosten, Fahrtkosten usw., sind dem Gesellschafter zuzurechnen, der die Aufwendungen getragen hat. Erfüllen einzelne Gesellschafter die Abzugsvoraussetzungen nicht, weil sie z. B. ganz oder teilweise auf die Erzielung von Einnahmen verzichten, sind ihnen die anteiligen Aufwendungen auch dann nicht zuzurechnen, wenn sie diese getragen haben. Vereinbaren Gesellschafter einer KG mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass Werbungskostenüberschüsse dem Kommanditisten nur bis zur Höhe seines Kapitalkontos zugerechnet werden, gilt dies auch mit steuerrechtlicher Wirkung. AfA können nur dem Gesellschafter zugerechnet werden, der entsprechende Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat. Kauft der Gesellschafter Anteile an einer vermögensverwaltenden GbR, erwirbt er anteilig die Wirtschaftsgüter. Die Verteilung der Anschaffungskosten erfolgt nach Maßgabe der stillen Reserven.
Rz. 228
Nach der Einkünfteermittlung auf Gesellschaftsebene erfolgt die Verteilung der Einkünfte auf die einzelnen Gesellschafter (Gemeinschafter). Die Verteilung erfolgt grundsätzlich im Verhältnis der zivilrechtlichen Beteiligung der einzelnen Gesellschafter (§§ 742, 748 BGB). Abweichende Vereinbarungen sind maßgebend, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam sind und hierfür wirtschaftlich vernünftige Gründe vorliegen, z. B. weil die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse nicht den Eigentumsverhältnissen entsprechen, weil die Gesellschafter sich in unterschiedlicher Weise an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Grundstücks beteiligt haben oder entsprechend der Kostentragung. Eine solche Vereinbarung ist steuerrechtlich bei der Zurechnung der Einkünfte anzuerkennen, soweit in ihr keine Verwendung des Einkommens zu sehen ist (§ 12 Nr. 2 EStG), sondern sie ihren Grund im Gesellschafts- oder Gemeinschaftsverhältnis hat. Bei einer abweichenden Vereinbarung unter Familienangehörigen bedarf es eines Fremdvergleichs. Die familienrechtliche Unterhaltspflicht eines Gesellschafters gegenüber anderen Mitgesellschaftern ist für die Zurechnung der Einkünfte ohne Bedeutung. Wird keine Vereinbarung getroffen, sind Aufwendungen eines Gesellschafters für diesen keine Sonderwerbungskosten, sondern Werbungskosten sämtlicher Gesellschafter, es sei denn, es war weder eine Zuwendung an die Mitgesellschafter beabsichtigt noch besteht gegen diese ein durchsetzbarer Anspruch. Auf die Kenntnis der fehlenden Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs kommt es nicht an.
Rz. 229
Gewährt der Gesellschafter (Gemeinschafter) einer Grundstücksgesellschaft (Gemeinschaft) der Gesellschaft ein Darlehen oder vermietet er ihr ein Grundstück, sind Darlehen und Grundstück zivil- und steuerrechtlich dem Gesellschafter zuzurechnen. Die Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 EStG, wonach eine Zurechnung als Sonderbetriebsvermögen zum Vermögen der Gesellschaft erfolgt, gilt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht entsprechend. Es gilt vielmehr die Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Dementsprechend führt die Einlage von Grundstücken in eine personen- und beteiligungsidentische Vermietungsgesellschaft nur dann zu einem Anschaffungsvorgang, wenn sich die Beteiligungsquote eines Gesellschafters durch die Einbringung erhöht hat. Beim Gesellschafter oder Gemeinschafter sind daher die Zinszahlungen Einnahmen aus Kapitalvermögen, die Mietzahlungen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Bei der Gesellschaft sind die Zahlungen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Möglich ist aber, dass ein Grundstück nicht an die Gemeinschaft vermietet wird, sondern auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage in die Gesellschaft zur Nutzung eingebracht wird. In diesem Fall ist der Mietzins Teil des Überschusses, den die Gesellschaft erzielt.
Rz. 230
Eine entgeltliche Überlassung einer Wohnung an einen Miteigentümer, Gemeinschafter oder Gesellschafter durch die anderen Miteigentümer, die Gemeinschaft oder Gesellschaft ist steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die entgeltli...