6.1 Allgemeines
Rz. 182
Nach § 22 Nr. 4 EStG unterliegen die Bezüge der Abgeordneten im Europaparlament, im Deutschen Bundestag und in den Parlamenten der Bundesländer unter den in § 22 Nr. 4 EStG genannten Voraussetzungen der ESt. Nach § 57 Abs. 5 EStG werden auch vergleichbare Bezüge an ehemalige Abgeordnete der DDR-Volkskammer, die nach 1990 zufließen, erfasst.
Die Steuerpflicht geht zurück auf das AbgG v. 18.2.1977, mit dem die Nr. 4 in § 22 EStG eingefügt worden ist. Zuvor waren Abgeordnetenbezüge steuerfrei. Die Gesetzesänderung folgt dem sog. Diätenurteil des BVerfG, das die Steuerfreiheit für verfassungswidrig angesehen hatte.
Die Zuordnung der Bezüge zu einer Einkunftsart konnte nur in § 22 EStG erfolgen, da Einkünfte nach §§ 18, 19 EStG ausgeschlossen sind. Einkünfte nach § 18 EStG sind nicht gegeben, weil die Abgeordnetentätigkeit nicht auf die Erzielung von Einkünften aus entgeltlichen Dienstleistungen gegenüber Dritten ausgerichtet sein darf. Einkünfte nach § 19 EStG liegen nicht vor, weil ein Abgeordneter seine Arbeitskraft als Abgeordneter keinem Dienstherrn schuldet und er keinen Weisungen unterliegt.
6.2 Art der Bezüge, Personenkreis
Rz. 183
Stpfl. sind Entschädigungen, Amtszulagen, Zuschüsse zu Krankenversicherungsbeiträgen, Übergangs-, Überbrückungs-, Sterbegelder, Versorgungsabfindungen und Versorgungsbezüge, die aufgrund des Abgeordnetengesetzes oder des Europaabgeordnetengesetzes v. 6.4.1979, BGBl I 1979, 413, BGBl I 1986, 2039, zuletzt geändert durch G. v. 23.10.2008, BGBl I 2008, 2020, sowie vergleichbare Bezüge, die aufgrund der entsprechenden Gesetze der Länder gezahlt werden.
Nicht hierzu gehören Bezüge, die außerhalb dieser Gesetze erbracht werden, z. B. Zahlungen der Fraktionen an die Abgeordneten oder Zahlungen des Parlaments an Mitarbeiter der Abgeordneten, Zahlungen für die Tätigkeit als Fraktionsgeschäftsführer oder Vorsitzende von Arbeitskreisen. Diese Zahlungen unterliegen den allgemeinen Grundsätzen steuerlicher Beurteilung (R 22.9 S. 2 EStR 2012).
§ 22 Nr. 4 EStG zählt abschließend die von ihr erfassten Abgeordneten und Bezüge auf. Nicht erfasst werden ehrenamtliche Mitglieder kommunaler Vertretungen, die Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielen, die ggf. nach § 3 Nr. 12, 13 EStG steuerfrei sind..Kommunale Wahlbeamte erzielen regelmäßig Einkünfte nach § 19 EStG.
Rz. 184
Der betroffene Personenkreis umfasst Abgeordnete nach dem Europaabgeordnetengesetz (EuAbgG). Das G. trat am 10.4.1979 in Kraft und ist erstmals auf die Bewerber um ein Mandat sowie die bei dieser Wahl gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments anzuwenden. Da die Wahl des ersten Europaparlaments 1980 stattfand, werden die Bezüge der Abgeordneten des Europaparlaments und die der Bewerber um ein solches Mandat von Anfang an nach dem EuAbgG gezahlt.
Rz. 185
Das Abgeordnetengesetz (AbgG) betrifft die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Es ist gem. § 46 AbgG hinsichtlich der Bezüge der Abgeordneten – abgesehen von § 35 AbgG – am 1.5.1977 in Kraft getreten. Stpfl. Bezüge nach § 22 Nr. 4 EStG fallen somit ab 1.4.1977 an.
Rz. 186
Die Bundesländer haben für die Abgeordneten in den Landesparlamenten die folgenden dem AbgG entsprechenden Gesetze erlassen:
Baden-Württemberg: Abgeordnetengesetz v. 12.9.1978 (GBl 1978, 473), zuletzt geändert durch G. v. 24.6.2020 (GBl 2020, 421);
Bayern: Gesetz über die Rechtsverhältnisse des Bayerischen Landtags (Bayerisches Abgeordnetengesetz v. 27.7.1977, GVBl 1977, 369), zuletzt geändert durch G. v. 24.5.2019 (GVBl 2019, 300);
Berlin: Abgeordnetengesetz v. 9.10.2019 (GVBl 2019, 674), zuletzt geändert durch G. v. 11.6.2020 (GVBl 2020, 530);
Brandenburg: Abgeordnetengesetz v. 15.3.1991 (GVBl 1991, 16), zuletzt geändert durch G. v. 7.3.2018 (GVBl I 2018, 3);
Bremen: Gesetz über die Entschädigung der Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft v. 16.10.1978 (GBl 1978, 209), zuletzt geändert durch G. v. 16.6.2020 (GBl 2020, 469);
Hamburg: Hamburgisches Abgeordnetengesetz v. 21.6.1996 (GVBl 1996, 141), zuletzt geändert durch G. v. 18.1.2020 (GVBl 2020, 706);
Hessen: Abgeordnetengesetz v. 18.10.1989 (GVBl 1989, 261), zuletzt geändert durch G. v. 29.5.2020 (GVBl 2020, 362);
Mecklenburg-Vorpommern: Abgeordnetengesetz v. 20.12.1990 (GVOBl 1991, 3), zuletzt geändert durch G. v. 5.2.2019 (GVOBl 2019, 66);
Niedersachsen: Niedersächsisches Abgeordnetengesetz v. 20.6.2000 (GVBl 2000, 129), zuletzt geändert durch G. v. 11.11.2020 (GVBl 2020, 393);
Nordrhein-Westfalen: G. über die Entschädigung der Abgeordneten des Landtags v. 24.4.1979 (GVBl 1979, 238), zuletzt geändert durch G. v. 29.5.20120 (GVBl 2020, 358);
Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Landtags Rheinland-Pfalz v. 21.7.1978 (GVBl 1978, 587), zuletzt geändert durch G. v. 4.4..2017 (GVBl 2017, 78);
Saarland: Abgeordnetengesetz v. 4.7.1979 (ABl 1979, 656), zuletzt geändert durch G. v. 19.6.2019 (ABl 2019, 572);
Sachsen: Abgeordnetengesetz v. 26.2.1991 (GVBl 1991, 44), zuletzt geä...