Rz. 114

Nach § 350 AO setzt die Zulässigkeit des Einspruchs voraus, dass der Einspruchsführer zum Zeitpunkt der Einspruchseinlegung durch den Steuerbescheid beschwert ist (Einspruchsbefugnis).[1] Entsprechendes gilt für die Klage (§ 40 Abs. 2 FGO). Eine Beschwer ist dann gegeben, wenn rechtlich geschützte Interessen des Einspruchsführers durch das Verhalten der Finanzbehörde beeinträchtigt werden. Verfahrensfehler hinsichtlich der Form des Verwaltungsakts und hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit für dessen Erlass begründen die Einspruchsbefugnis nur dann, wenn geltend gemacht wird, dass bei Beachtung der Vorschriften eine andere Sachentscheidung hätte getroffen werden können. Eine Beschwer ist ohne Weiteres gegeben, wenn der ESt-Bescheid mit der Begründung angefochten wird, die ESt sei zu Unrecht oder zu hoch festgesetzt worden. Die Beschwer braucht dann nicht besonders dargelegt zu werden. Zweifelsfragen können sich in folgenden Fällen ergeben:

  • Die Beschwer ergibt sich regelmäßig aus dem Verfügungssatz (Ausspruch, Tenor) des Verwaltungsakts. Entscheidend ist, ob der Bescheid im Ergebnis richtig ist. Eine fehlerhafte Begründung des Bescheids führt daher nicht zur Einspruchsbefugnis. Einwendungen, die die belastende Regelungsaussage des Verwaltungsakts nicht berühren, sondern sie mit einer anderen (kompensierenden) Begründung aufrechterhalten, ergeben keine Beschwer. Es fehlt daher an einer Beschwer, wenn lediglich eine andere steuerneutrale Aktivierung begehrt wird[2] oder wenn sich aus der Zuordnung von Aufwendungen zu den Sonderausgaben statt zu den Werbungskosten keine steuerliche Auswirkung ergibt.[3]
  • Anders ist es, wenn die Besteuerungsgrundlagen des Bescheids Feststellungen enthalten, die für andere Behörden bindend sind, z. B. für Leistungen nach dem BAföG. Denn der Einkommensbegriff nach dem BAföG richtet sich nach der Summe der positiven Einkünfte nach dem EStG.[4] Keine Bindung besteht zwischen dem ESt-Bescheid und der Feststellung des GewSt-Messbetrags.[5]
  • Eine zu niedrige Belastung kann ausnahmsweise dann eine Beschwer begründen, wenn sie in anderen Bereichen nachteilige Auswirkungen hat oder diese als möglich erscheinen[6], bzw. wenn sich die Festsetzung in einem späteren Vz nachteilig auswirken kann, z. B. aufgrund des Bilanzzusammenhangs.[7] Keine Rechtsverletzung liegt vor, wenn sich ein fehlerhafter Bilanzansatz weder im Streitjahr noch in den Folgejahren nachteilig auswirken kann. Gleiches gilt für niedrigere Verrechnungsmöglichkeiten[8] oder eine unmittelbar verbindliche Wirkung in anderen Steuerarten.[9]
  • Bei einer "Null-Festsetzung" liegt eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht vor. Die Verneinung der Steuerpflicht ist eine Frage der Begründung des Verwaltungsakts, die keine unmittelbare Belastung bewirkt.[10] Eine Beschwer ist allerdings gegeben, wenn die Steuerpflicht dem Grunde nach bestritten wird.[11] Eine Beschwer bei einer "Null-Festsetzung" liegt auch vor, wenn der ESt-Bescheid Grundlagenfunktion für einen nach § 10d Abs. 3 EStG a. F. (aktuell § 10d Abs. 4 EStG) gesondert festzustellenden Verlust hat.[12] Ein berechtigtes Interesse an der Anfechtung kann auch bestehen, wenn der Eintritt der Bestandskraft eines auf 0 EUR lautenden Einkommensteuerbescheids verhindert werden soll, um ein noch bestehendes Wahlrecht der Veranlagungsart wahrzunehmen.[13]
  • Trotz gleichbleibender Gesamtsteuerschuld (§ 44 Abs. 1 AO) ist eine Beschwer durch einen Zusammenveranlagungsbescheid gegeben, wenn im Hinblick auf die Aufteilung der Steuerschuld (§§ 268ff. AO)[14] eine andere Einkünftezuordnung begehrt wird.[15]
  • Wird der Verwaltungsakt mit einer selbstständigen Nebenbestimmung, z. B. einer Auflage (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 AO), versehen, so begründet die Nebenbestimmung keine Beschwer hinsichtlich der Regelungsaussage des mit ihr versehenen Verwaltungsakts. Die Rechtswirkungen des Verwaltungsakts sind unabhängig davon, ob die Auflage erfüllt wird oder nicht.[16] Die Nebenbestimmung muss gesondert angefochten werden.
  • Wird ein Verwaltungsakt mit einer unselbstständigen Nebenbestimmung verbunden (Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt, Vorbehalt der Nachprüfung, Vorläufigkeitserklärung), ist die Nebenbestimmung inhaltlicher Bestandteil der in dem Verwaltungsakt getroffenen Regelungsaussage. Der Einspruch (die Klage) ist nur gegen den Verwaltungsakt insgesamt zulässig. Die Nebenbestimmung kann nicht isoliert angefochten werden.[17]
  • Beschwert ist auch, gegen wen als möglichen Adressaten eines Verwaltungsakts vorgegangen werden kann. Ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, diese Gefahr durch Anfechtung aus der Welt zu schaffen.[18] Dies ist nur der Fall, wenn der Verwaltungsakt unmittelbar in dessen eigene steuerrechtliche Rechtssphäre eingreift.[19]
  • Gleiche Erwägungen sind dafür maßgebend, dass eine Feststellungsklage als zulässig angesehen wird, wenn der Adressat geltend macht, ein Steuerbescheid sei ihm nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, das FA aber für sich in Anspruch nimmt, aus dem Steuerbesche...

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