Rz. 38
Werden Ehegatten zusammenveranlagt, stellt sich die Frage, wem bei Überzahlungen der Erstattungsanspruch zusteht. Erstattungsansprüche entstehen, wenn die Vorauszahlungen oder anzurechnenden Beträge die im Weg der Zusammenveranlagung festgesetzte Steuerschuld übersteigen (§ 36 Abs. 4 S. 2 EStG), ferner, wenn die Steuerbescheide zugunsten der Ehegatten aufgehoben oder geändert werden (§ 37 Abs. 2 S. 2 AO). Generell gilt bei intakter Ehe, dass bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur ESt veranlagt worden sind, die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt. Dass bei einer intakten Ehe die Erstattung an einen Ehegatten vom anderen Ehegatten gebilligt wird, erspart dem FA Nachforschungen zur Erstattungsberechtigung der Ehegatten. Durch den Antrag auf Zusammenveranlagung und durch ihre beiderseitigen Unterschriften auf der Steuererklärung bevollmächtigen sich Ehegatten nicht nur den Steuerbescheid, sondern auch einen etwaigen Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen. Die Vorschrift des § 36 Abs. 4 S. 3 EStG enthält demnach eine widerlegbare gesetzliche Vermutung hinsichtlich einer Einziehungsvollmacht.
Bei zusammen veranlagten Ehegatten kann es trotz der Vorschrift des § 36 Abs. 4 S. 3 EStG erforderlich werden, Entscheidungen zur Erstattungsberechtigung der beiden Ehegatten zu treffen und ggf. die Höhe des auf jeden entfallenden Erstattungsbetrags zu ermitteln. Konnte das FA erkennen, dass ein Ehegatte aus beachtlichen Gründen nicht mit der Auszahlung des gesamten Erstattungsbetrags an den anderen Ehegatten einverstanden ist, darf es nicht mehr an den anderen Ehegatten auszahlen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn die Ehegatten inzwischen geschieden sind oder getrennt leben oder wenn dem FA aus sonstigen Umständen bekannt ist, dass ein Ehegatte die Erstattung an den anderen nicht billigt.
Eine Ausnahme zu § 36 Abs. 4 S. 3 EStG gilt auch in den Fällen, in denen das FA mit Abgabenrückständen eines der beiden Ehegatten aufrechnen will oder wenn der Erstattungsanspruch nur eines der beiden Ehegatten abgetreten, gepfändet oder verpfändet worden ist. Zahlt in diesen Fällen das FA aufgrund des gegenüber einem Ehegatten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses den gesamten Erstattungsbetrag an den Pfändungsgläubiger aus, kann der andere Ehegatte von diesem jedoch die Rückzahlung dieses ohne Rechtsgrund gezahlten Betrags verlangen.
Rz. 39
Für den Erstattungsanspruch gilt nach der Rspr. generell Folgendes: Zahlt ein Dritter, der nicht der Steuerschuldner ist, so steht der Erstattungsanspruch dem Steuerschuldner zu, da auf seine Rechnung gezahlt worden ist (§ 37 Abs. 2 S. 1 AO). Dem liegt zugrunde, dass es nicht Sache der Finanzverwaltung sein kann, die zivilrechtlichen Innenbeziehungen und damit die Motive aufzuklären, warum ein Dritter eine Zahlung auf eine fremde Steuerschuld leistet. Maßgebend dafür, für wen die Zahlung erbracht wurde, ist der Wille des Zahlenden, wie er sich im Zeitpunkt der Zahlung gegenüber dem FA ausdrückte. Das gilt nur dann nicht, wenn der Zahlende als Haftender eine eigene Verpflichtung erfüllt; allerdings nur, wenn ein Haftungsbescheid ergangen ist, nicht hingegen, wenn er zur Abwendung seiner Haftung die fremde Steuerschuld zahlt.
Hat einer von mehreren Gesamtschuldnern gezahlt, so steht der Erstattungsanspruch grundsätzlich dem Zahlenden zu. Lässt sich aus den dem FA bei Zahlung erkennbaren Umständen nicht entnehmen, wessen Steuerschuld der zahlende Gesamtschuldner (§ 44 AO) begleichen wollte, so wird im Allgemeinen angenommen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte. Ob bei Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der Ehepartner ein von den Erfahrungssätzen abweichender Tilgungswille vorliegt, richtet sich ausschließlich nach dem zum Zeitpunkt der Zahlung für das FA erkennbaren Tilgungswillen, da eine Tilgungsbestimmung nicht rückwirkend geändert werden kann. Hat ein Dritter oder ein Gesamtschuldner erkennbar für Rechnung aller Gesamtschuldner gezahlt, steht der Erstattungsanspruch den Gesamtschuldnern nach Kopfteilen zu, da es nicht Aufgabe des FA ist, die Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis nach § 426 BGB zu klären. Nur wenn der Zahlende zum Ausdruck bringt, dass er gerade für einen bestimmten Gesamtschuldner (auf dessen Rechnung) zahlen will, steht demjenigen der Erstattungsanspruch zu, für den er zahlen wollte. Tritt ein (vermeintlicher) Erstattungsgläubiger seinen Erstattungsanspruch ab und zahlt die Finanzverwaltung zu Unrecht an den Zessionar, so kann sie ihrerseits nicht den Zessionar, sondern nur den Zedenten auf Rückzahlung in Anspruch nehmen.
Rz. 40
Nach der Rspr. sind diese Grundsätze auch auf den Fall der Zusammenveranlagung nach § 26b EStG anzuwenden. In Bezug auf den Erstattungsanspruch sind die Ehegatten weder Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB noch Mitgläubiger i. S. d. § 432 BGB. Der Erstattungsanspruch steht aber demjenige...