Prof. Dr. Georg Schnitter
7.4.1 Allgemeines
Rz. 23
Außerordentliche Holznutzungen liegen nur vor, wenn bei einer Holznutzung die in § 34b Abs. 1 EStG genannten Voraussetzungen vorliegen. Dabei ist unerheblich, ob die außerordentlichen Holznutzungen in Nachhaltsbetrieben oder in aussetzenden Betrieben anfallen. Alle übrigen Holznutzungen sind ordentliche Holznutzungen, für die § 34b EStG keine Anwendung findet. Liegen außerordentliche Holznutzungen vor, gilt die Tarifermäßigung nach § 34b EStG für alle außerordentlichen Holznutzungen. Sie ist nicht beschränkt auf Überhiebe oder Übernutzungen.
7.4.2 Holznutzungen aus volks- und staatswirtschaftlichen Gründen (§ 34b Abs. 1 Nr. 1 EStG)
Rz. 24
Zu den außerordentlichen Holznutzungen gehören nach § 34b Abs. 1 Nr. 1 EStG Holznutzungen aus volks- und staatswirtschaftlichen Gründen. Holznutzungen dieser Art liegen nach § 34b Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG nur insoweit vor, als sie durch gesetzlichen oder behördlichen Zwang verursacht sind. Hierunter fallen insbesondere Holznutzungen infolge einer Enteignung oder einer drohenden Enteignung z. B. beim Bau von Verkehrswegen. Von einem gesetzlichen oder behördlichen Zwang ist dabei bereits dann auszugehen, wenn der Stpfl. nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls davon ausgehen kann, dass er im Fall der Verweigerung des Verkaufs ein Enteignungsverfahren zu erwarten hat. Ebenfalls von § 34b Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst wird z. B. die Inanspruchnahme forstwirtschaftlich genutzter Flächen für Versorgungsleitungen. Gleiches gilt auch für sonstige behördlich angeordnete Einschläge. Des Weiteren führt auch die Enteignung bzw. die Veräußerung eines Waldgrundstücks in Erwartung einer Enteignung hinsichtlich des stehenden Holzbestands zu einer außerordentlichen Holznutzung i. S. d. § 34b Abs. 1 Nr. 1 EStG (Rz. 20). Volks- und staatswirtschaftliche Gründe liegen nicht vor, wenn die Holznutzung ohne drohenden Eingriff im allgemeinen öffentlichen Interesse erfolgt. An einem drohenden Eingriff fehlt es auch dann, wenn es um die Erfüllung von Verpflichtungen geht, die sich allein aufgrund der Waldgesetze ergeben.
Rz. 25
Nicht zu den Holznutzungen aus volks- und staatswirtschaftlichen Gründen gehören die Holznutzungen aus privatwirtschaftlichen Gründen. Insoweit liegen keine außerordentlichen, sondern ordentliche Holznutzungen vor. Zu den Holznutzungen aus privatwirtschaftlichen Gründen gehören insbesondere Holznutzungen, die sich aus dem laufenden forstwirtschaftlichen Betrieb ergeben, wie z. B. der Überhieb zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen forstwirtschaftlichen Ablaufs, sowie Holznutzungen, die der Deckung eines besonderen Kapitalbedarfs dienen.
7.4.3 Holznutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzungen) (§ 34b Abs. 1 Nr. 2 EStG)
Rz. 26
Ebenfalls zu den außerordentlichen Holznutzungen gehören nach § 34b Abs. 1 Nr. 2 EStG Holznutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzungen). Holznutzungen infolge höherer Gewalt sind nach § 34b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG durch Eis-, Schnee-, Windbruch oder Windwurf, Erdbeben, Bergrutsch, Insektenfraß, Brand oder durch Naturereignisse mit vergleichbaren Folgen verursacht. Nicht zu den Kalamitätsnutzungen gehören nach § 34b Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG in der Forstwirtschaft regelmäßig entstehende Schäden. Ebenfalls nicht zu den Holznutzungen infolge höherer Gewalt gehören die außerordentlichen Holznutzungen infolge gesetzlicher oder behördlicher Anordnungen.
Rz. 27
Kalamitätsnutzungen setzen das Vorliegen eines Naturereignisses voraus. Hierbei handelt es sich um Ereignisse, die wegen des Umfangs und der Ungewissheit ihres Eintritts bei der forstwirtschaftlichen Planung nicht berücksichtigt werden können, wobei eine gewisse Voraussehbarkeit unschädlich ist. Naturereignisse dieser Art können plötzlich oder katastrophenartig auftreten. Handeln kann es sich aber auch um schleichende, sich allmählich ausbreitende Naturereignisse. Naturereignisse i. d. S. sind nach § 34b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG Eis-, Schnee-, Windbruch oder Windwurf, Erdbeben, Bergrutsch, Insektenfraß und Brand. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Erfasst werden auch andere Naturereignisse mit vergleichbaren Folgen. Hierzu gehören z. B. Hochwasser, außergewöhnliche Trockenheit, infektiöse Holzkrankheiten, Baumrindenschäden durch Hagelschlag oder Rotwild, Käfer- oder sonstiger Schädlingsbefall oder Immissionsschäden. Nicht von Bedeutung ist, ob von dem Naturereignis hiebreife Bestände betroffen sind oder ob der volle Marktpreis erzielt werden kann. Des Weiteren kann eine Holznutzung infolge höherer Gewalt auch in einem Wirtschaftsjahr nach Eintritt des Schadensereignisses erfolgen. Zu den Holznutzungen infolge höherer Gewalt zählen nicht Schadensfälle von einzelnen Bäumen, wie z. B. Dürrhölzer oder Blitzschlagschäden, soweit sie sich im Rahmen der regelmäßigen natürlichen Abgänge halten. Wird von dem Naturereignis nur ein geringer Holzbestand betroffen, liegt ebenfalls keine Holznutzung infolge höherer Gewalt vor.
Rz. 28
Zu den Naturereignissen, ...