3.1 Belastung mit Einkommensteuer
Rz. 15
Für die einkommensteuerliche Belastung stellt § 35b S. 1 EStG auf eine Berücksichtigung der Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) ab. Es darf sich nicht um eine ESt-Schuld des Erblassers handeln. Steuerfreie Einkünfte (z. B. durch § 3 EStG, ein DBA oder spezielle Freibeträge) sind nicht im Einkommen enthalten, für sie kann sich daher auch keine Doppelbelastung ergeben. Anders verhält es sich bei Einkünften, die der Abgeltungsteuer unterliegen (wegen § 2 Abs. 5b EStG und außerhalb der Ausnahmen von § 32d Abs. 2, 6 EStG) oder einem Progressionsvorbehalt. Sie sind mit ESt belastet, aber nicht bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) zu berücksichtigen, weshalb die darauf entfallende ESt nicht – auch nicht aus Billigkeitsgründen – ermäßigt werden kann. Irrelevant ist, ob sich das Einkommen durch einen Verlustausgleich gemindert hat, weil für § 35b S. 1 EStG eine "Berücksichtigung" bei der Einkommensermittlung ausreichend ist (es wird gerade nicht auf das zu versteuernde Einkommen abgestellt). Gleiches gilt für einen Verlustabzug (§ 10d EStG). Voraussetzung ist beiden Fällen, dass eine positive ESt-Schuld verbleibt, auf die die ErbSt "angerechnet" werden kann.
3.2 Belastung mit Erbschaftsteuer
3.2.1 Persönlich
Rz. 16
Die Doppelbelastung mit ESt und ErbSt muss sich nicht bei demselben Stpfl. vollziehen (z. B. beim erneuten Erwerb von Todes wegen). Es ist tatbestandlich und nach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum keine Personenidentität erforderlich.
3.2.2 Sachlich
3.2.2.1 Steuerpflichtiger Erwerb
Rz. 17
Die den einkommensteuerpflichtigen Einkünfte (Rz. 15) zugrundeliegenden Vermögensgegenstände müssen im erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb i. S. d. § 10 ErbStG, also der Bereicherung des Erwerbers enthalten gewesen sein. Hier werden auch die Wertverhältnisse der Vermögensgegenstände berücksichtigt oder Steuerbefreiungen abgezogen. Dabei sind nicht nur sachliche, sondern auch persönliche Steuerbefreiungen abzuziehen, gegebenenfalls anteilig, falls auch frühere, aber nicht von § 35b EStG begünstigte Erwerbe nach § 14 ErbStG hinzugerechnet werden (Rz. 26).
Rz. 18
Dass das Gesetz nur von "Einkünften" spricht, wird im Schrifttum unter systematischen Gesichtspunkten kritisiert, beeinträchtigt die Anwendung der Vorschrift aber – soweit ersichtlich – nicht. Hinsichtlich der in Betracht kommenden Sachverhalte haben allgemein die Fallgruppen (Rz. 19) die größte Bedeutung.
Rz. 19
Praxisrelevant sind:
Realisierung stiller Reserven z. B. durch Veräußerungen i. S. d. §§ 17, 22, 23 EStG oder der Überführung von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen und der Zufluss erbschaftsteuerpflichtiger Forderungen des Erblassers und erbschaftsteuerpflichtige Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und Nutzungen, die der Erbe der ESt unterwerfen muss.
Rz. 20–24 einstweilen frei
Rz. 25
Handelt es sich bereits beim Erblasser um laufende Einkünfte (z. B. aus einem Urheberrecht), sollen diese Einkünfte nach m. E. zutreffender Auffassung nicht der Steuerermäßigung von § 35b EStG unterfallen.
3.2.2.2 Erwerb von Todes wegen
Rz. 26
Die Steuerermäßigung kommt nur in Betracht, wenn die Doppelbelastung mit ErbSt durch den Erwerb von Todes wegen entstanden ist. Resultiert sie aus anderen erbschaftsteuerlichen Tatbeständen, ist die Steuerermäßigung nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 35b S. 1 EStG nicht anwendbar. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung wird aber als verfassungsgemäß eingestuft. Werden dem stpfl. Erwerb von Todes wegen frühere Erwerbe nach § 14 ErbStG aus den letzten 10 Jahren hinzugerechnet (z. B. Vorerwerbe durch Schenkungen), sind die nicht begünstigten Erwerbe herauszurechnen. Hieraus ergibt sich auch eine Aufteilung aller für die Steuerermäßigung relevanter Größen (z. B. bei persönlichen Steuerbefreiungen, Rz. 17; bei der festgesetzten ErbSt, Rz. 27).