8.6.1 Allgemein
Rz. 32
§ 36a Abs. 2 EStG definiert die Mindesthaltedauer. Nach § 36a Abs. 2 S. 1 EStG umfasst die Mindesthaltedauer 45 Tage und muss innerhalb eines Zeitraums von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach der Fälligkeit der Kapitalerträge erreicht werden. Die Regelung lehnt sich an Vorschriften aus Australien und USA an.
Daraus ergibt sich ein Mindesthaltezeitraum von 91 Tagen: 45 Tage vor Fälligkeit + 45 Tage nach Fälligkeit + Tag der Fälligkeit.
Rz. 33
Der Begriff "Tag" schließt in Abgrenzung zum Begriff "Handelstage" auch Sonnabende, Sonntage und gesetzlich anerkannte Feiertage ein.
8.6.2 Fälligkeit der Kapitalerträge
Rz. 34
Bei der "Fälligkeit der Kapitalerträge" ist bei Aktien auf den Gewinnverteilungsbeschluss der Hauptversammlung und bei Genussscheinen auf die Emissionsbedingungen abzustellen. Dabei gilt – vorbehaltlich spezieller Regelungen – in entsprechender Anwendung von § 44 Abs. 2 S. 2 EStG der Tag nach der Beschlussfassung als Tag der Fälligkeit, wenn trotz Beschluss der Hauptversammlung über die Gewinnausschüttung ein Beschluss über den Tag der Auszahlung fehlt.
Rz. 35
Der Dividendenanspruch ist nach § 58 Abs. 4 S. 2 AktG grundsätzlich am dritten auf den Hauptversammlungsbeschluss folgenden Geschäftstag fällig. Der Begriff des Geschäftstags entspricht dem des Bankarbeitstags und meint nach § 675n Abs. 1 S. 4 BGB "jeden Tag, an dem der an der Ausführung eines Zahlungsvorgangs beteiligte Zahlungsdienstleister den für die Ausführung von Zahlungsvorgängen erforderlichen Geschäftsbetrieb unterhält".
Nach § 58 Abs. 4 S. 3 AktG kann durch Beschluss der Hauptversammlung oder in der Satzung jedoch eine spätere Fälligkeit festgelegt werden.
Rz. 36
Die Finanzverwaltung beanstandet es nicht, wenn der Stpfl. für die Bestimmung des Mindesthaltezeitraums und der Mindesthaltedauer innerhalb des Mindesthaltezeitraums generell auf den Ex-Tag abstellt. Ex-Tag ist der erste Geschäftstag nach der Hauptversammlung.
8.6.3 Beginn und Ende der tatsächlichen Haltedauer
Rz. 37
Beginn der tatsächlichen Haltedauer ist der Tag, an dem das wirtschaftliche Eigentum erworben wird. Ende der tatsächlichen Haltedauer ist der Tag des Verlustes des wirtschaftlichen Eigentums.
Rz. 38
Nach dem Anwendungsschreiben zu § 36a EStG beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn für die Zwecke der Ermittlung der tatsächlichen Haltedauer bei Geschäften mit bis zu dreitägiger Lieferfrist generell auf den Tag abgestellt wird, an dem das Verpflichtungsgeschäft zum Erwerb und zur Veräußerung der Anteile oder Genussscheine abgeschlossen wird (Handelstag).
8.6.4 Berechnung der Haltedauer
Rz. 39
Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind für die Berechnung der Haltedauer ausschließlich die Tage einzubeziehen, an denen während des gesamten Kalendertags das wirtschaftliche Eigentum bestand. Dazu zählen daher nicht der Tag des Erwerbs bzw. des Verlustes des wirtschaftlichen Eigentums.
Rz. 40
§ 108 Abs. 3 AO ist anzuwenden, d. h. fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags.
8.6.5 FIFO-Methode
Rz. 41
Gem. § 36a Abs. 2 S. 2 EStG ist die "First In-First Out" (FIFO)-Methode anzuwenden. Bei Anschaffungen und Veräußerungen ist daher zu unterstellen, dass die zuerst angeschafften Anteile oder Genussscheine zuerst veräußert wurden.