Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
12.2.6.1 Allgemeines
Rz. 736
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG übernimmt für den Bereich der Gewinnermittlungsvorschriften aus Gründen der Gleichbehandlung die Abzugsbeschränkungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) und des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG (Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung) sowie die Ausnahmebestimmungen für Körperbehinderte des § 9 Abs. 2 EStG für Fahrten mit dem eigenen Kfz (zu den systematischen Grundsätzen vgl. § 9 EStG Rz. 112).
Die Vorschrift ist als Abzugsbeschränkung konzipiert und definiert den nicht abzugsfähigen Teil der betrieblich veranlassten Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen Kfz. Dieser nicht abzugsfähige Teil der Fahrtaufwendungen wird ermittelt als Differenz zwischen den Gesamtkosten des Kfz pro Entfernungskilometer und dem nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 und 5 bzw. Abs. 2 EStG abzugsfähigen Teil dieser Aufwendungen. Die Gesamtkosten pro Entfernungskilometer werden dabei pauschal als Prozentsatz des Listenpreises des Kfz ermittelt.
Durch G. v. 11.10.1995 ist § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG mit Wirkung ab Vz 1996 eingeführt und durch G. v. 18.12.1995 ebenfalls mit Wirkung ab Vz 1996 um Klarstellungen ergänzt worden.
Rz. 737
Durch G. v. 19.7.2006 war § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG aufgehoben worden. Ersetzt wurde Nr. 6 durch einen neuen § 4 Abs. 5a EStG, der eine pauschalierende Ermittlung der privat veranlassten und daher nicht abzugsfähigen Aufwendungen enthielt und bestimmte Aufwendungen ab dem 21. Entfernungskilometer wie Betriebsausgaben zum Abzug zuließ. Diese Regelung sollte ab Vz 2007 gelten.
Die Regelung wurde vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat daher durch G. v. 20.4.2009 die bis Vz 2006 geltende Regelung in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG ab Vz 2007 unverändert wieder hergestellt und Abs. 5a ersatzlos gestrichen.
12.2.6.2 Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte
Rz. 738
Beschränkt abzugsfähig sind die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung (§ 9 EStG Rz. 116) und Betriebsstätte (Rz. 738). Hierfür gilt § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 2 EStG entsprechend. Die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte werden daher pauschal ermittelt, ohne Rücksicht auf die Art des benutzten Verkehrsmittels. Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG können 0,30 EUR für jeden Entfernungskilometer, höchstens jedoch 4.500 EUR pro Jahr angesetzt werden (§ 9 EStG Rz. 136). Werden die Wege mit dem Kfz zurückgelegt, gelten besondere Abzugsregelungen (Rz. 746).
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG gilt entsprechend für Gesellschafter-Geschäftsführer von Personengesellschaften. Zwar kann eine Personengesellschaft keine "Wohnung" unterhalten und keine "Fahrten" unternehmen. Trotzdem ist die Regelung entsprechend anzuwenden; es ist dann auf die Wohnung und die Fahrten des Gesellschafters, aber auf die Betriebsstätte der Personengesellschaft abzustellen. Die Vorschrift gilt jedoch nicht für Fahrten des nicht geschäftsführenden Gesellschafters zum Sitz der Personengesellschaft; sind diese Fahrten überhaupt betrieblich veranlasst, so sind sie in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar.
Rz. 739
"Betriebsstätte" i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG ist nicht die Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO. Der besondere Zweck der Vorschrift, im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und betrieblich tätigen Stpfl. zu sichern, zwingt dazu, den Begriff der Betriebsstätte weiter auszulegen als im Rahmen des § 12 AO. Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG ist die von der Wohnung getrennte Beschäftigungsstätte des Stpfl., d. h. das Gelände, auf dem (oder von dem aus) die steuerrechtlich relevante Tätigkeit ausgeübt wird, die Baulichkeit, Anlage oder Einrichtung, in der (oder von der aus) dies geschieht. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Stpfl. sind nicht erforderlich. Der Auffassung, es sei eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht für den Auftraggeber sowie eine zusätzliche Verfestigung der Tätigkeit notwendig, damit eine Betriebsstätte beim Auftraggeber begründet werden kann, ist m. E. nicht zuzustimmen. Unterhält der Stpfl. keine Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO, ist als Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG die Betriebsstätte des Auftraggebers anzusehen. Die Auslegungsergebnisse für den Begriff der "Arbeitsstätte" können auch für den Begriff der Betriebsstätte herangezogen werden (§ 9 EStG Rz. 122). Die Finanzverwaltung verwendet daher regelmäßig nicht den Begriff "Betriebsstätte" sondern verwendet die "ersten Tätigkeitsstätte". Mithilfe einer aktiven Handlung des Arbeitgebers könne der Arbeitnehmer steuerlich wirksam einer Tätigkeits...